Sklavenähnliche Zustände auf italienischen Feldern

Politik

Ein Viertel der Landarbeiter, meistens illegale Einwanderer, arbeiten und leben unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die Behörden nehmen Landwirte ins Visier.

Nach zwei Tagen Agonie ist Satnam Singh am vergangenen Samstag gestorben. Der 31-jährige Inder hatte sich während der Arbeit auf den Feldern des Agro Pontino, so nennt sich die Gegend um die nordöstlich von Rom gelegene Stadt Latina, schwer verletzt. Eine Maschine hatte ihm einen Arm abgerissen. 

Er hätte sofort ins Spital gebracht werden müssen, da Singh aber ein illegaler Schwarzarbeiter war, verfrachtete ihn der Arbeitgeber Antonello Lovato samt abgetrenntem Arm und Singhs völlig verängstigter Frau auf einen Transporter und lud den Verletzten, die Frau und den Arm einfach vor deren Wohnung ab. 

Zeugen, die dem beigewohnt hatten, erzählten den Ermittlern, dass Lovato noch daran dachte, dem Verletzten und der Frau ihre Handys abzunehmen – wahrscheinlich, um sie daran zu hindern, Hilfe zu holen. Es war ein anderer Erntehelfer, der den Krankenwagen rief. Singh hatte aber zu viel Blut verloren, die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten.

Singhs Schicksal ist leider kein Einzelfall

Singh war zusammen mit seiner Frau vor drei Jahren in Italien gelandet und hatte seither weit über 10 Stunden am Tag für einen Hungerlohn von rund fünf Euro pro Stunde gearbeitet. Einen Teil davon musste er den Schleppern, denen er noch Geld schuldete, geben. 

Gegen Arbeitgeber Lovato wird jetzt wegen unterlassener Hilfeleistung, Verletzung geltender Arbeitsvorschriften und fahrlässiger Tötung ermittelt. Die Institutionen wiederum sprachen ihr Mitgefühl aus. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida war es aber wichtig hervorzuheben, dass die Schuld eines Kriminellen nicht auf die ganze Branche zu übertragen sei. Immerhin gehöre die Landwirtschaft zu den „Eccellenze“ Italiens, wie die Regierung gerne hervorhebt.

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Doch leider ist das Vorgehen Antonello Lovatos kein Einzelfall. Das zeigt schon seine Familie: Gegen den Vater läuft seit fünf Jahren ein Verfahren wegen der Ausnutzung von Arbeitern. Vor laufenden Kameras sagte Lovato Senior, sein Sohn habe Singh mehrmals vor der Maschine gewarnt, doch der habe „nicht darauf gehört und uns jetzt alle in Schwierigkeiten gebracht.“

Sklavenartige Zustände auf den Feldern

In Italien spricht man, wenn es um die Ausbeutung von Arbeitern geht, von „Caporalato“. Eine Plage, die besonders in der Landwirtschaft präsent ist. Den Schätzungen des nationalen Statistikamts ISTAT zufolge leben an die 230.000 Erntehelfer, also ein Viertel aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, unter unzulässigen bis sklavenartigen Zuständen. Die meisten sind Ausländer, der Großteil davon in den letzten Jahren illegal eingewandert.

Nach einem bis zu 16-stündigen Arbeitstag geht es für sie in barackenähnliche Unterkünfte. Baracken, für die eigentlich schon 200 Millionen Euro bereitstünden, um sie abzureißen und durch neue Unterkünfte zu ersetzen. Das Geld stammt aus dem europäischen Wiederaufbaufonds, wurde aber bis jetzt nicht genutzt.

Häufigere Ermittlungen

Die Caporalato-Plage taucht historisch erstmals Ende des 19. Jahrhunderts auf, ein erstes Gesetz zu ihrer Bekämpfung wurde aber erst 2011 verabschiedet. In letzter Zeit kommt es jedoch häufiger zu Ermittlungen, alleine zwischen 2022 und 2023 wurden 378 eingeleitet. Doch die Frage bleibt: Nimmt nur der Druck der Behörden oder doch die Ausbeutung der Erntehelfer zu?

Emilio Santoro, Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Florenz und Koordinator …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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