Spätstarter: So tickt der neue ÖVP-Chef Christian Stocker

Politik

Der 64-jährige Wiener Neustädter übernimmt die ÖVP. Wie lange? Das ist ungewiss. Stocker zählte zum engsten Umfeld Karl Nehammers.

Eigentlich wollte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Samstagabend auf den Winternachtsball in Wiener Neustadt gehen. Dazu kam es nicht, Stocker war am innenpolitischen Parkett gefragt. Zuvor hatten sich die Ereignisse überschlagen: Am Freitag stiegen die Neos aus den Koalitionsverhandlungen aus, am Samstag dann die ÖVP. Parteichef und Kanzler Karl Nehammer legte zudem seine Funktionen zurück.

Sonntagvormittag erfuhr der KURIER vorab: Vorerst soll Christian Stocker die ÖVP als interimistischer Parteichef übernehmen. Der Bundesparteivorstand bestellte Stocker daraufhin einstimmig. Der sprach von einer „großen Ehre und Freude“, er werde die Verantwortung mit „großer Demut“ erfüllen.

Kickl-Gegner spricht nun mit Kickl

Die dabei größte Überraschung: Stocker soll vorerst auch die Regierungsverhandlungen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl führen, sollten die Blauen die ÖVP nun dazu einladen. Stocker hat nie einen Hehl daraus gemacht, kein Kickl-Anhänger zu sein. „Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner“, richtete er ihm noch im Dezember im Parlament aus.

Ja, er habe Kickl mehrmals mit „kritischen und auch harten Worten“, betonte Stocker. Deshalb hätte die ÖVP auch mit Neos und SPÖ über die Bildung einer Bundesregierung verhandelt. Aber: „Es geht jetzt nicht um Herbert Kickl oder mich, sondern darum, dass dieses Land jetzt eine stabile Regierung benötigt.“

APA/HELMUT FOHRINGER

Dass der Wiener Neustädter Stocker überhaupt einmal in diese Rolle kommen und die ÖVP übernehmen sollte, hätte vor wenigen Jahren wohl wirklich niemand gedacht. Der Vizebürgermeister von Wiener Neustadt sitzt erst seit 2019 im Nationalrat. Das wäre auch das ursprüngliche politische Karriere-Ziel des Rechtsanwalts gewesen, betonen Kenner. Immerhin trat er damit in die Fußstapfen seines Vaters Franz Stocker.

  Übernimmt Christian Stocker interimistisch die ÖVP?

Später Start in die Karriere im Bund

Das Potenzial des mittlerweile 64-Jährigen erkannte die Volkspartei spätestens bei seinen Auftritten im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, ab Dezember 2021. Dort folgte Stocker auf Wolfgang Gerstl, über dessen Performance insbesondere die ÖVP Niederösterreich unglücklich war. Stocker verstand es, den anderen Fraktionen und dem Verfahrensrichter trocken und fundiert zu kontern. Das schätzte die Bundesparteispitze, wie auch seine Disziplin und Verlässlichkeit.

So sehr, dass er bereits im September 2022 eine weitere in Ungnade Gefallene beerbte: die damalige Generalsekretärin Laura Sachslehner. Zuletzt gehörte Stocker, unter anderem mit Klubchef August Wöginger, zum engsten Umfeld Karl Nehammers. Wie lange er nun Parteivorsitzender bleibt, ist ungewiss.

Zur Rechtfertigung des Kurswechsels gegenüber Kickl betonte Stocker: „Ich habe auch zu SPÖ-Chef Andreas Babler sehr kritische Worte im Wahlkampf gefunden, wir haben trotzdem mit der SPÖ verhandelt.“ Hinter den Kulissen äußerte er sich während der Verhandlungen insbesondere über die Neos positiv, nicht über Babler.

Begabt am Tenorsaxofon

Privat weiß man vom 64-Jährigen, dass er verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern ist – einem Sohn und einer Tochter. Als seine Hobbys gelten das Fliegenfischen und das Spiel mit dem Tenorsaxofon.

Im Jahr 2000 wurde er in seiner Heimatgemeinde Wiener Neustadt Stadtparteiobmann, Vizebürgermeister und ÖVP-Gesicht bei Grätzlfesten – zu einer Zeit, als die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs noch eine SPÖ-Bastion war. 

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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