
Eine Gruppe von neun europäischen Staats- und Regierungschefs hat mit einem gemeinsamen Brief vom 22. Mai 2025 eine Debatte über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angestoßen.
Initiiert wurde der Vorstoß von der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen, einer Sozialdemokratin, und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den rechten Fratelli d’Italia. Zu den Unterzeichnern gehören auch Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), ebenso die Regierungschefs von Polen, Belgien, der Tschechischen Republik, Estland, Lettland sowie der Präsident Litauens.
Kern des Schreibens ist die Forderung, die Spielräume nationaler Staaten bei der Abschiebung krimineller Ausländer zu erweitern. Die Politiker argumentieren, dass sich die Welt seit der Verabschiedung der Menschenrechtskonvention fundamental verändert habe, insbesondere durch eine Zunahme irregulärer Migration. Sie äußern die Sorge, dass einige Migranten sich nicht integrieren, sich in Parallelgesellschaften isolieren und Straftaten begehen.
Doch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) schränke die nationalen Handlungsmöglichkeiten zu stark ein. Insbesondere kritisieren sie Urteile, die Abschiebungen straffälliger Ausländer verhindert hätten und fordern mehr Freiheit bei der Überwachung dieser.
Die Sicherheit der eigenen Bevölkerung müsse in solchen Fällen Vorrang vor individuellen Rechten haben, so die Verfasser, die eine „grundlegende Diskussion über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention“ anstreben, keine grundsätzliche Änderung der EMRK.
Der Schweizer Sozialdemokrat Alain Berset, Generalsekretär des Europarats, dessen juristischer Arm der EGMR ist, warnte bereits vor einer „Politisierung des Gerichtshofs“ und betonte, Institutionen, die Grundrechte schützen, dürften sich „nicht den politischen Zyklen beugen“.
In Österreich hat Stocker die Koalitionspartner mit dem Brief offenbar vor den Kopf gestoßen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte sich in der Vergangenheit immer gegen Angriffe auf die EMRK stark gemacht, aktuell will sie nichts dazu sagen.
SPÖ-Babler sagt Nein
Aus dem Büro von SPÖ-Chef Andreas Babler heiß es dazu, man habe sich im Regierungsprogramm grundsätzlich zur EMRK bekannt. „Es hat sich seit Jahrzehnten bewährt, dass die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorbehalten ist. Ein Abrücken von diesen bewährten Mechanismen […] lehnen wir ab.“ BG
Source:: Kurier.at – Politik