Straftäter abschieben: Eine Gefahr für die Menschenrechte?

Politik
Facsimile des Briefes der Regierungschefs

Ist es ein Vorstoß, um Europas Asyl- und Migrationspolitik besser funktionieren zu lassen – oder wird die Glaubwürdigkeit internationaler Höchstgerichte untergraben und werden damit die Menschenrechte gefährdet? Ein offener Brief von neun EU-Regierungschefs, darunter Österreich Bundeskanzler Christian Stocker, sorgt in Wien und in Brüssel für Aufregung. In dem Schreiben fordern die Spitzenpolitiker den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Luxemburg (EGMR) dazu auf, seine Entscheidungen über die Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber oder Asylberechtigter zu überdenken. Regelmäßig verhindert der EGMR Abschiebungen von schweren Straftätern in ihre Heimatländer, weil diese dort von Misshandlung oder menschenunwürdigen Haftbedingungen bedroht seien. Welche Änderungen fordern die Politiker und könnten dadurch die Menschenrechte gefährdet sein? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Was fordert der Brief? Die Regierungschefs fordern mehr Recht und Entscheidungsfreiheit für die Nationalstaaten bei der Abschiebung von Asylanten, die schwere Straftaten begangen haben. Die müssten auch in heikle Herkunftsländer wie Afghanistan oder Syrien rückgeführt werden können. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – sie gilt für alle EU-Staaten und ist in Österreich Teil der Verfassung – sieht ein Folterverbot vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat daraus in vielen Einzelfällen ein Verbot von Abschiebungen abgeleitet. Diese Rechtssprechung müsse der Gerichtshof überdenken, wird in dem Brief verlangt.

Wer ist an der Initiative beteiligt?Politisch ist das eine bunte Mischung. Angeführt wird die Initiative von der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen und Italiens Premierministerin Giorgia Meloni: eine Sozialdemokratin, die aber eine harte Linie in Fragen der Migration fährt, und eine Rechtspopulistin, die das internationale Asylrecht oft grundsätzlich in Frage gestellt hat und sich bei diesen Themen auch mit Brüssel anlegt. Mit Österreichs Bundeskanzler ist ein Christdemokrat, mit Polens Premier Donald Tusk ein Liberaler dabei.

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Ist das eine Gefährdung der Menschenrechte? Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt grundsätzlich das Recht auf Leben und ein Folterverbot. Das Verbot der erwähnten Abschiebungen ist eine sehr weitreichende Auslegung des Gerichtshofs. Das internationale Flüchtlingsrecht sieht vor: Falls eine Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt oder ein Staat eine Gefahr für die öffentliche Ordnung erkennt, kann das Verbot solcher Abschiebungen aufgehoben werden.

Um welche Personen geht es?Um Asylwerber, aber auch Asylberechtigte, die schwere Straftaten begangen haben und dafür verurteilt worden sind, oder solche, die an terroristischen Aktivitäten beteiligt waren. In solchen Fällen kann ein Staat die Sicherheit seiner Bürger als gefährdet betrachten. Das Recht auf Schutz wäre für diese Personen aufgehoben.

Übt die Politik da Druck auf Höchstgerichte aus? Während Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, aber auch die SPÖ in dem Vorstoß eine Gefährdung der Glaubwürdigkeit von des EGMR sehen, sieht der Europarechts-Experte Walter Obwexer keinen unzulässigen Druck auf den Gerichtshof. Die Mitgliedsstaaten des EGMR hätten ein Recht, sich vor dem Gerichtshof zu einzelnen Fällen zu äußern. Außerdem steht ihnen zu, eine andere Auslegung der Menschenrechtskonvention vorzuschlagen, oder sogar eine grundsätzliche Änderung. Der Brief sei also kein Versuch, die Justiz unzulässig zu beeinflussen. Von einer tatsächlichen Änderung der Menschenrechtskonvention rät der Jurist aber entschieden ab?

Geht es auch um andere Asylrechts-Fragen? Die Europäische Menschenrechtskonvention sieht zwar ein Recht auf Familienleben vor, das aber bedeutet nicht das Recht auf Familienzusammenführung, also das Nachholen von Familienmitgliedern durch …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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