Volksanwaltschaft schlägt Alarm: Justizanstalten sind überfüllt und die Selbstmord-Fälle bei Insassen deutlich gestiegen.
9.657 Personen befinden sich derzeit in Haft bzw. in Unterbringung – ein Wert, der nach einem kurzen Abflauen in der Corona-Zeit wieder extrem angestiegen ist. Ausgelegt sind Österreichs Justizanstalten eigentlich für 8.800 Personen. Die Volksanwaltschaft weist jetzt auf die „prekären Zustände“ hin. „Schlechte Versorgung, erschwerte Resozialisierung und steigende Suizidzahlen sind mittlerweile leider Alltag“, schreibt Volksanwältin Gabriela Schwarz am Dienstag in einer Aussendung am Dienstag.
Im Detail betrachtet sind die Suizidzahlen tatsächlich alarmierend – sie haben sich in den vergangenen fünf Jahren fast verfünffacht.
2019 gab es neun Suizidversuche und vier Suizide – in Summe sind das 13 Fälle.
2024 gab es 48 Versuche und zwölf Suizide – in Summe 60 Fälle.
Die Jahre dazwischen waren kaum besser: 2021 gab es 32 Versuche und einen Höchstwert von 15 Suiziden – in Summe waren das 47 Fälle. Ebenso viele Fälle gab es 2022 (42 Versuche, fünf Suizide). 2023 gab es 46 Fälle (33 Versuche, 13 Suizide).
Kritik an Justizministerin
Die Volksanwaltschaft fordert von der nächsten Bundesregierung, in vier Bereichen nachzubessern: Erstens solle der Personalmangel bei Exekutiv- und Fachpersonal behoben, zweitens die Suizidprävention verstärkt, drittens der elektronisch überwachte Hausarrest ausgebaut und viertens eine neue Einrichtung im Jugendstrafvollzug rasch vollständig umgesetzt werden.
Die noch amtierende (und derzeit in Babypause befindliche) grüne Justizministerin Alma Zadic wird von Volksanwältin Schwarz (ÖVP) in ihrer Aussendung frontal angegriffen: Die Volksanwaltschaft habe Zadic wiederholt auf den dringenden Handlungsbedarf hingewiesen, heißt es da.
Die Meldung des Ministeriums, dass die neue Jugendstrafvollzugseinrichtung am Standort Münnichplatz in Wien-Simmering in Betrieb geht, kommentiert sie mit den Worten: „reichlich spät und viel zu langsam“. Dass es zwei Jahre gedauert habe und „unzählige Aufforderungen in Richtung Justizministerin“ nötig gewesen seien, sei „zum Kopfschütteln“. Neben den baulichen Gegebenheiten sei es auch entscheidend, die therapeutische und soziale Versorgung im Jugendstrafvollzug zu verbessern. Dazu gehören, so Schwarz, auch Ausbildungs- und Freizeitangebote.
Was die Suizidprävention betrifft, so schlägt Volksanwältin Schwarz vor, bei allen neu aufgenommenen Häftlingen sechs bis acht Wochen nach ihrer Aufnahme in Justizanstalten zu überprüfen, ob es Anzeichen einer Selbstgefährdung gibt. „Weiters wäre es hilfreich, bei den Übergaben vom Tag- zum Nachtdienst das Augenmerk besonders darauf zu legen.“
Kontaktrechte
Im Justizministerium weist man darauf hin, dass eine im Februar 2022 eingerichtete Arbeitsgruppe eine Liste mit 48 Empfehlungen zur Suizidprävention im Strafvollzug erstellt habe. Gegenüber profil wird betont, in Fällen von akuter Selbstgefährdung seien Häftlinge nunmehr bestimmte Kontaktrechte zu gewähren, wenn dies der Suizidprävention diene. Eine entsprechende Regelung wurde per Erlass getroffen.
Zudem läuft ein Pilotprojekt zur besseren Gestaltung der sogenannten Zugangshafträume, in denen neu eingelieferte Insassen untergebracht werden. Laut profil wurde außerdem ein besserer Informationsaustausch mit dem Gesundheitsministerium angestoßen, um medizinische Daten der Inhaftierten effizienter zu nutzen.
„ÖVP blockiert Reform“
Ein Gegenschlag kam am Dienstag aus dem grünen Klub: Sicherheitssprecherin Agnes Prammer „begrüßt den eifrigen Einsatz der Volksanwaltschaft für Verbesserungen im Strafvollzug“, weist Schwarz aber darauf hin, dass die Erkenntnis nicht ganz neu sei. Ein Gesetzesentwurf für eine Strafvollzugsreform liege seit Juni 2024 bei der ÖVP – Schwarz‘ Partei – und werde blockiert.
„Der Entwurf enthält Verbesserungsmaßnahmen wie insbesondere …read more
Source:: Kurier.at – Politik