Profiteure wären einzig Herbert Kickl und die FPÖ. Sie dürfen den Bogen jetzt aber nicht überspannen, betont ein Experte.
Es sollte kommen wie das Amen im Gebet: Nur kurz nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen (4.1.) wurden – wie so gut wie immer in innenpolitischen Krisen – seitens der Boulevardmedien die Rufe nach Neuwahlen laut.
Auf den ersten Blick mag es tatsächlich plausibel erscheinen, in dieser verfahrenen Situation die Reset-Taste zu drücken, es dem Wähler zu überlassen, für klare Verhältnisse zu sorgen. Dennoch sprechen aktuell deutlich mehr Gründe für die direkte Bildung einer blau-türkisen Koalition als für Neuwahlen, ist Politikberater Thomas Hofer überzeugt.
Allen voran der Zustand der beiden Parteien SPÖ und ÖVP. „Vor allem für die ÖVP kann es bei Neuwahlen noch deutlicher nach unten gehen, weil ihr die Schuld am Scheitern der Verhandlungen angelastet wird“, sagt der Experte zum KURIER. Ähnliches gelte auch für die SPÖ.
Hofer ist überzeugt davon, dass selbst ein ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz der derzeit überaus solide dastehenden FPÖ nicht gefährlich werden könne. „Kurz ist weit entfernt von seiner früheren Strahlkraft, wie auch aktuelle Umfragen zeigen. Tatsächlich sind schon unter seiner Obmannschaft, kurz nach der Bildung der Koalition mit den Grünen, die Werte für die ÖVP nach unten gegangen.“
FPÖ: Keine Angst vor Kurz
Kein Wunder also, dass man sich auch in der FPÖ nicht vor Kurz fürchtet. „Wenn er antritt, wäre das so, als würden wir wieder mit Heinz-Christian Strache ins Rennen gehen“, ätzt ein blauer Funktionär gegenüber dem KURIER. Kurz sei mitverantwortlich für das aktuelle Budgetdesaster und die Coronapolitik. Das und weniger die komplizierten strafrechtlichen Ermittlungen würden ihn für viele unwählbar machen.
Von Neuwahlen profitieren würde somit allein die FPÖ, die dann noch stärker als jetzt ihrem Koalitionspartner (wohl die ÖVP) die Bedingungen diktieren könnte.
Schon vor Platzen der Koalitionsverhandlungen war sie in Umfragen auf bis zu 35 Prozent geklettert. „Trotzdem wird die FPÖ daran guttun, jetzt Tonalität und Maß zu wahren“, sagt Experte Hofer. Jetzt leichtfertig Neuwahlen zu provozieren, indem sie etwa Verhandlungen mit der ÖVP verweigert, würde nicht besonders staatstragend wirken. „Eine Neuwahl würde drei Monate Wahlkampf bedeuten, in der keine wesentlichen Entscheidungen getroffen werden können. Hinzu kommt dann noch die Phase der Regierungsbildung. Und das alles in einer so schwierigen Zeit. Das wird auch die FPÖ nicht wollen“, ist Hofer überzeugt.
Was als Risikofaktor noch dazukommt: Es ist keineswegs gesichert, dass nach einer Neuwahl die Kräfteverhältnisse so sind, dass eine Regierungsbildung einfacher wird.
Und so überrascht es nicht, dass seitens der FPÖ-Granden bis dato noch keine Forderung nach Neuwahlen erhoben wurde. Vielmehr sieht Parteichef Herbert Kickl jetzt Bundespräsident Alexander Van der Bellen unter Zugzwang. Andere Blaue sind etwas deutlicher und fordern den Regierungsbildungsauftrag für ihren Parteichef.
SPÖ und ÖVP schwer verschuldet
Seitens von ÖVP und SPÖ kommt noch ein anderer Aspekt hinzu, der bei ihnen die Lust auf Neuwahlen in überschaubaren Grenzen hält: Beide Parteien sind hochverschuldet. Die SPÖ wies laut einem jüngsten Rechnungshof-Bericht Ende 2023, also noch vor dem Superwahljahr, Gesamtschulden von drei Millionen Euro aus, bei der ÖVP war es sogar ein Minus von 5,6 Millionen Euro. Bei der FPÖ …read more
Source:: Kurier.at – Politik