Wie aus Euphorie Enttäuschung wurde: „Wir waren einmal weltführend!“

Politik

Die Isle of Wight ist Traditionell eine Bastion der Torys und Brexiteers. Doch nun steht eine Wende bevor. Zu Besuch in einem einstigen Sommerjuwel.

So hat sich das Michael Towell nicht vorgestellt. Der Brite verschränkt die Arme, lehnt sich auf der Parkbank zurück. Vor ihm treibt der Sommerwind eine leere Packung Chips über den Boden. Der Mann, der gerade vorbeigeht, trägt trotz Sommerwetter eine Daunenjacke und hat eine Einkaufstasche geschultert, in der möglicherweise sein ganzes Hab und Gut ist.

Die Isle of Wight, die diamantgeformte Insel im Süden Englands, sagt Michael Towell dann, war doch einst eine Perle des Sommers. Vor allem Sandown, der Badeort an der Südostküste, in dem der Brite aufgewachsen ist. In seiner Erinnerung gab es jeden Tag Schokoladeeis und Pommes mit Essig. Da war Kinderlachen, das Dudeln der Spielautomaten vom Pier und das ewige Summen von Gesprächen auf der Promenade.

Bauer Anna-Maria

Wenn man die Esplanade heute entlangspaziert, kann man die wenigsten Hotels betreten. Die Eingangstore sind mit Sperrholzplatten verbarrikadiert, von den Wänden fließen Rostflecken und bröckelnder Verputz. In einem besonders wuchtigen Exemplar stechen die verkohlten Streben des Dachstuhls in die Luft. Im April war im Ocean Hotel erneut Feuer ausgebrochen. Gelegt worden, mutmaßt Michael Towell. „Heute“, sagt der Pensionist, „ist Sandown ein Schandfleck.“

Anna-Maria BauerAusstieg als Chance

Hätte der Brexit das nicht ändern sollen? Towell weicht dem Blick aus. „Sie haben uns versprochen, dass dann wieder mehr Geld für uns da ist, weil sie nicht alles der EU geben müssen.“  – „Dass wir dann wieder Kontrolle über unser Land haben“, sagt John Campbell, der auf die Reparatur seines Autos wartet. – „Dass sie sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren können und nicht in lächerliche Diskussionen um Maßeinheiten verstrickt werden“, sagt Zugfahrer Simon Bull, der in einem anderen Teil der Insel auf einer Parkbank sitzt.

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Die Bewohner der Isle of Wight haben mit 61,91 Prozent überdurchschnittlich deutlich für den Brexit gestimmt, im gesamten Vereinigten Königreich waren es 51,89. Es ist ein Phänomen der Küste: Von den 120 Parlamentswahlkreisen mit Küstenlinie gewann in mehr als 100 die „Leave“-Bewegung.

Niedergang an der Küste

Tim Bale, Politikprofessor an der Queen Mary Universität in London, wundert das nicht. „Die Küstenstädte hatten eher als ihre Pendants im Landesinneren einen wirtschaftlichen Niedergang erlitten.“ Er holt aus: „Entweder – vor allem, aber nicht ausschließlich im Süden – , weil der Fremdenverkehr, der sie groß gemacht hatte, mit dem Aufkommen billiger Pauschalreisen an sonnigere Orte zurückging. Oder – vor allem im Norden – weil sie früher der Standort für eine nicht mehr existierende Schwerindustrie waren. Und dann waren da noch die Städte, die sich früher einer Fischereiindustrie rühmen konnten, dies aber nicht mehr tun.“

Tim Bale

Doch dann kam der Brexit und die Pandemie und nichts wurde besser. Vielmehr trat das Gegenteil ein: 12 Gebiete auf der Isle of Wight gehören nun zu den am stärksten benachteiligten 20 Prozent Großbritanniens. 2023 war ein Viertel der Bevölkerung arbeitslos, landesweit ist es ein Fünftel.

Die Verkäuferin in einem der vielen Secondhand-Läden auf der Insel spürt das auch in ihrem Geschäft. „Früher sind die Leute öfters hereinspaziert, haben …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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