
Als Politiker hat es Josef Pröll dem Gegenüber meist sehr leicht gemacht: Selbst als er längst ÖVP-Parteichef und Finanzminister war, gab sich der Niederösterreicher gewinnend, humorbegabt und war mit dem Antragen des „Du-Wortes“ nicht sonderlich zurückhaltend – unabhängig vom vermeintlichen oder tatsächlichen „Stand“ seines Gesprächspartners.
Als angehender Chef des Österreichischen Fußballbundes ÖFB wird es der Raiffeisen-Manager ziemlich sicher sehr ähnlich angehen: Er konnte und kann kommunizieren; zudem ist er ein durch und durch politischer Mensch. Er weiß, wie die Republik funktioniert.
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Sozialisiert in der niederösterreichischen ÖVP, war Pröll Direktor des Bauernbundes und Kabinettschef von Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer, ehe er selbst Minister wurde.
Dass Prölls Onkel Erwin Landeshauptmann und einer der mächtigsten Männer in der Partei war, sollte kein Schaden sein, machte die Sache aber kompliziert: Die beiden lagen auch im Clinch. Was sicher stimmt: Man täte dem begeisterten Jäger und dreifachen Vater Unrecht, wollte man ihn auf seinen Nachnamen reduzieren.
Neues Gesicht
Als Pröll mit 34 Jahren Landwirtschafts- und Umweltminister wird, ist er das weltoffene Gesicht einer Partei, die nach Kräften versucht, sich neu zu erfinden.
Im Geist der „ökosozialen Marktwirtschaft“ versucht Pröll die Themen Umweltschutz und Landwirtschaft nicht in Konkurrenz, sondern ergänzend zu denken. Als Chef der „Perspektivengruppe“ erarbeitet er neue Ideen für die ÖVP. Dabei forciert er damals umstrittene Konzepte wie die „eingetragene Partnerschaft“ für Schwule und Lesben – erhebliche Konflikte mit dem konservativ-katholischen Flügel sind die fast logische Folge.
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Der Umbau der Partei – Pröll übernimmt Ende 2008 als gerade 40-Jähriger – wird überlagert von der weltweiten Finanzkrise 2007/08 sowie von der Eurokrise. Anstatt die ÖVP zu modernisieren und neu auszurichten, muss Pröll zunächst als Teil der Regierung Faymann „Feuerwehr“ spielen. Es gilt Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu retten, Hilfsprogramme zu schnüren – und letztlich ein Sparpaket zu verabschieden.
Der Stressjob fordert Tribut: Im Winterurlaub 2011 zwingen Pröll zwei Thrombosen und ein Lungeninfarkt, die Politik abrupt aufzugeben. Die Fähigkeiten, die den Fußball-verrückten Raiffeisen-Manager vor mehr als 20 Jahren bis in das Amt des Vizekanzlers gebracht haben, sind für den Job des ÖFB-Chefs indes bis heute von Vorteil.
Anstrengend wird die neue Aufgabe auf alle Fälle. Er muss das ÖFB-Präsidium befrieden und das Lagerdenken beenden, soll bestehende Sponsoren beruhigen und pflegen und neue Geldquellen erschließen. Und er muss damit auch den sportlichen Bereich freispielen, damit sich Österreich für die WM 2026 qualifiziert.
Der Fußball ist für Pröll jedenfalls kein Neuland: Seit Jahren verfolgt er – durchaus emotional – das Geschehen und drückt der Wiener Austria die Daumen.
Bei den Violetten lernte er auch das Funktionärsdasein kennen, war er doch seit 2012 Mitglied des Aufsichtsrats und seit 2018 einer von zwei Vize-Präsidenten neben Raimund Harreither. Dieser schwärmt in den höchsten Tönen von seinem damaligen Kollegen: „Für den ÖFB ist Josef Pröll ein Glücksfall. Er ist ein Fußball-Insider mit Kompetenz und aufgeschlossen für Neues.“ Harreither kann sich gut vorstellen, dass Pröll als ÖFB-Präsident zusätzliches Geld für den Verband lukriert.
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Allerdings gibt es einen Schönheitsfehler: Pröll hat die wichtigen Ämter bei der Austria just in jener Zeit bekleidet, als der Klub einen Schuldenberg anhäufte – den die Veilchen bis …read more
Source:: Kurier.at – Sport