120.000 Bewerbungen im Vorjahr. Chaos in Deutschland schlägt sich auch auf ÖBB durch
In Krisenzeiten sind sichere Arbeitsplätze gefragt. Die ÖBB hatten im Vorjahr einen regelrechten Ansturm an Bewerbern, 120.000 interessierten sich für einen Job bei der Staatsbahn. „Es ist eine große Herausforderung, diese Menge an Bewerbungen wertschätzend zu bewältigen“, sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Im Vorjahr nahmen die ÖBB 6200 neue Mitarbeiter auf, darunter 685 Lehrlinge. Bis 2030 braucht die Bahn in Summe 24.500 zusätzliche Beschäftigte, macht rund 4100 pro Jahr. Die Hauptgründe für den hohen Personalbedarf sind die Pensionierungen bei den Baby-Boomern, bis 2030 gehen 9000 Eisenbahner in den Ruhestand. Matthä nennt als weiteren Grund das trotz Rezession anhaltende Wachstum des öffentlichen Verkehrs sowie die Fluktuation.
26 Prozent der Bahn-Mitarbeiter sind noch unkündbar, die letzten von ihnen dürften in 10 Jahren die Pension antreten, schätzt Matthä. Bei den Kollegen ohne Kündigungsschutz liegt die Fluktuation bei 6,5 Prozent. Wesentlich höher ist allerdings die sogenannte Früh-Fluktuation. 16 Prozent aller Neulinge, das ist fast jeder Sechste, verlassen die Bahn innerhalb der ersten zwei Jahre wieder.
Die ÖBB, die vor allem Techniker brauchen, versuchen viel, um ihre Jobs schmackhaft zu machen. Für die besonders benötigten Fahrdienstleiter und Verschieber gibt es beispielsweise während und am Ende der Ausbildung zweimal 2.500 Euro Prämie. Die Bahn biete als Arbeitgeber Fahr-Vergünstigungen für die gesamte Familie, auch Dienstwohnungen und gute Vereinbarkeiten von Familie und Beruf, wirbt Matthä. Im Konzern gebe es 130 Berufsbilder sowie viele Aufstiegs- und Umstiegsmöglichkeiten, vom Einsatz in Schanghai bis Neusiedl.
Außerdem kooperiere man mit Unternehmen, die Mitarbeiter abbauen, schildert Matthä. Beispielsweise von KTM, Magna und Opel wurden bereits Fachkräfte übernommen.
Die Staatsbahn ist der fünftgrößte Arbeitgeber im Land. 17 Prozent der insgesamt 45.520 Mitarbeiter sind Frauen, vertreten sind 93 Nationen.
Deutsche Bahn: Klagen?
Das unglaubliche Chaos bei der Deutschen Bahn beeinträchtigt auch den Zugverkehr in Österreich. Verspätungen und Mehrkosten sind die Folgen. In den vergangenen zwei Jahren stand das Deutsche Eck ein Drittel der Zeit nicht zur Verfügung, berichtet Matthä. 50 Prozent aller Verspätungen der ÖBB würden im Ausland verursacht, großteils in Deutschland.
Das Gleis-Netz der Deutschen Bahn ist wegen jahrzehntelanger Versäumnisse teilweise völlig desolat und muss dringend saniert werden. Bei der ÖBB sind derzeit 30 Mitarbeiter nur damit beschäftigt, die Ausweichstrecken und -zeiten für den Güterverkehr mit Deutschland abzustimmen. Noch bis 2027 werden in Deutschland wichtige Hochleistungsstrecken gesperrt.
Die Mehrkosten der ÖBB werden derzeit errechnet und überlegt, diese von den Deutschen gemeinsam mit anderen Bahnunternehmen zurückzuholen, sagt Matthä. In Deutschland ist bereits von dreistelligen Millionenbeträgen die Rede. Sehr zuversichtlich, tatsächlich Schadenersatz zu bekommen, wirkt Matthä freilich nicht.
APA/HANS KLAUS TECHT
ÖBB-Chef Andreas Matthä
„Nicht so verludert“
Der drohende Sparzwang angesichts des enormen Budgetproblems, der mit ziemlicher Sicherheit auch die geplanten Milliarden-Investitionen der Bahn treffen wird, macht Matthä (noch) nicht nervös. Eine Abflachung des Rahmenplans gebe es nicht zum ersten Mal. Investitionen müssten eben auf später verschoben werden.
Sollte die Bahn Einsparungen von 15 Prozent leisten müssen, so wie es die Koalitionsverhandler derzeit für den ORF und die Ministerien diskutieren, müsse dies mit den Entscheidungsträgern in Klima- und Finanzministerium diskutiert werden.
Der …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft