Warum manche Lösungen zum Scheitern verurteilt sind – und ab wann Nachgeben zu weit geht.
Kompromisse sind keine Lösung, so lautet eine strenge Verhandlungsregel. Nur Win-Win-Situationen werden akzeptiert. Warum das so ist? Um das beantworten zu können, muss der Verhandlungsexperte Georg Tappeiner weit ausholen. Als ausgebildeter Kommunikationstrainer und Mediator saß Tappeiner schon an vielen Verhandlungstischen und moderierte teils hitzige Gespräche. Der Schlüsselpunkt jeder Verhandlung – ob in Politik oder unter Arbeitskollegen: „Die Partner brauchen ein gemeinsames Ziel“, erklärt er.
Und dieses Ziel sollte gut formuliert sein, sodass beide Parteien auch dasselbe darunter verstehen. Dann geht es allerdings ans Eingemachte: die Interessen der Parteien. Oft ist zu Beginn solcher Gespräche nämlich nur von Positionen die Rede. Ein grober Fehler, wie Tappeiner meint. Positionen kann man nämlich nicht verhandeln, Interessen aber schon.
Ein Beispiel: Will ein Kollege das Fenster im Büro öffnen, während ein anderer strikt dagegen ist, spricht man von zwei Positionen. Fragt man nach, warum der jeweilige Kollege das Fenster geschlossen oder eben geöffnet haben möchte, kommt man auf die Interessen der Parteien. Die eine Person braucht frische Luft, der anderen ist es zu kalt. Mit dieser Information kann man an einer Lösung arbeiten, die beiden Personen zugutekommt, so der Experte.
Es braucht ein Mindestmaß an Vertrauen
Um die perfekte Lösung zu finden, sollte man zunächst alle Optionen und Möglichkeiten, die es potenziell gibt, auf den Tisch legen. Eine gute Verhandlungsdiskussion lebt von der Vielfalt, ist Georg Tappeiner sicher. „Im Mediationsjargon sagt man, dass der Verhandlungskuchen so groß wie möglich sein sollte. So entdeckt man Lösungen, an die man womöglich gar nicht erst gedacht hätte.“
Für so einen Kuchen müssen aber beide Parteien offen sein und nicht schon im Vorhinein alles ablehnen. Was dabei hilft, ist ein Mindestmaß an Vertrauen zueinander. „So etwas fällt natürlich leichter, wenn man sich auf der persönlichen Ebene versteht.“ Tut man das nicht, kann es schnell zu einer Vermischung der Personen- und Sachebene kommen. Ein Nährboden für unnötige Konflikte, die objektive Entscheidungen deutlich erschweren.
Warum faule Kompromisse nicht bringen
Wie die Lösung dann konkret aussieht, hängt von den „Verhandlungskorridoren“ der Parteien ab. Also welcher Handlungsspielraum für die Verhandlung freigeräumt wird. „Bei solchen Korridoren definiert man die eigenen Grenzen. Von wo bis wohin man bereit ist, sich zu bewegen“, erklärt Tappeiner. Man geht also nur bis zu einer gewissen roten Linie und keinen Schritt weiter. Deswegen steht der Mediator Kompromissen oder besser gesagt „faulen“ Kompromissen skeptisch gegenüber. Die befinden sich nämlich außerhalb des Verhandlungskorridors und sind deswegen langfristig nicht tragfähig, betont er. „Einen faulen Kompromiss geht man zugunsten eines Verhandlungsergebnisses ein, aber nicht, weil man davon überzeugt ist.“ Was zu einer Win-Lose oder gar einer Lose-Lose-Situation führen kann, in der jede Partei unglücklich nach Hause geht.
„Im Grunde hat jeder Verhandlungspartner ein Idealergebnis. Ein sogenanntes Sehnsuchtsziel“, so Georg Tappeiner. Das müsse man für sich selbst formulieren und während der Verhandlung im Blick behalten, damit man dem so nah wie möglich kommt. Dass man dieses Ziel nicht zu hundert Prozent erreichen kann, sobald eine zweite Partei am Tisch sitzt, müsse jedem bewusst sein: „Die Frage …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft