Befreiende, groteske, großartige Malerei: Eva Beresin in der Albertina

Kultur

Die seit 1976 in Wien lebende Ungarin gilt als große Entdeckung – zu Recht, wie ihre Werkschau in Wien zeigt

„Ich habe in einem sozialistischen Land zu malen gelernt“, sagt Eva Beresin. „Da gab es viele Regeln, viele ,Dos and Don’ts‘. Nach meinem Erlebnis 2007 habe ich mich nicht mehr zurückhalten können und wollen.“

„Das Erlebnis“: Das war die Entdeckung der Tagebücher, die Beresins Mutter 1945 schrieb. Sie war knapp der Vernichtungsmaschine der Shoah entkommen, viele weitere Mitglieder der Familie waren das nicht. Beresin, 1955 in Budapest geboren, erfuhr in ihrer Kindheit nichts über diese Herkunftsgeschichte, die Familie schwieg. Die Einsicht löste bei der Malerin einen kreativen Furor aus: „Ich habe eineinhalb Jahre lang Tag und Nacht nur gemalt“, erzählt die Künstlerin. 

Eva Beresin/Foto Peter M. Mayr

Die Bilder, die die Albertina nun in einer Werkschau in der Pfeilerhalle des Museums bis 15. September ausstellt, stammen nicht aus dieser Zeit, sondern sind großteils jüngeren Datums. Es ist ihnen auch die Bewältigung der Biografie vordergründig nicht anzusehen, auch wenn einige Titel – etwa „Family Constellation Therapy“, deutsch etwa „Familienaufstellung“, oder „Uncharted Suffering“ (etwa: „Ungeklärtes Leid“) – entsprechende Hinweise geben. 

Verdrängtes im Faschingskostüm

Was durchaus zu sehen ist, dass von allen Seiten und aus allen Ecken Menschen, Objekte und Dingwesen in den Bildraum emporsteigen, von Teddybären und Kleinkindern bis zu Versatzstücken aus der Kunstgeschichte – und dass alles in einer Weise zusammenkommt, wie es nur durch Malerei zusammenkommen kann. 

Albertina-Kuratorin Angela Stief spricht von „Schnellmalerei“, Beresin selbst beschreibt ihren Prozess als einen, in dem Assoziationen und Ideen nach und nach aufsteigen und sich zum Bild fügen. Doch man ist geneigt zu widersprechen – denn bei allem Überschwang stecken die Bilder so sehr voller Anspielungen und schräger Referenzen, dass sich in ihnen wohl ein Leben des Sammelns, Schauens und Assoziierens entlädt. Und wenn auch die Dinge schnell auf die Leinwand kommen mögen, so ist doch gleich zu erkennen, dass die Malerin ihren Pinsel mit höchster Meisterschaft führt – und auch einen klassischen Frauenakt buchstäblich aus dem Ärmel schütteln kann. 

  Auktionswoche in New York: Der Kunstmarkt inszeniert sich als gesund

Eva Beresin

In einem Bild wie „The Joys of Physical and Mental Pain“ („Die Freuden des körperlichen und seelischen Schmerzes“) drängen sich zwei solche Figuren in einem Nebenraum, während in einem scheinbar mit Schachbrett verfliesten „Hauptraum“ ein Baby in einer Gehschule, mehrere nackte Frauen und einige buchstäblich schräge Vögel zugegen sind. Man kann sich dazu eine Handlung ausdenken, mögliche Deutungen anlegen (geht es um Mutterschaft? Um Psychoanalyse? Um alles zusammen?), aber auch einfach nur bewundern, wie sowohl eine Erzählung als auch pure Dynamik direkt aus der Farbe und dem kreativen Akt der Malerei heraus entsteht: Viele nass in nass gemalte Details lassen sich erst direkt vor der Leinwand erkennen.

Influencer als Entdecker

Dass Beresin der Internet-Dynamik einen Teil ihres frischen Ruhms verdankt – der online höchst aktive New Yorker Sammler, Händler, Journalist und „Influencer“ Kenny Schachter erweiterte ihren Kennerkreis ab 2019 maßgeblich – ist da fast verwunderlich, denn ihre Malerei verrät auf Instagram nur einen kleinen Teil ihrer Magie. Allerdings baut Beresin die Ästhetik von Handybildern und Selfies ebenso in ihre Werke ein wie das …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.