Festwochen-Kritik: Dieser Rothko ist nackt!

Kultur

Łukasz Twarkowskis „Rohtko“ – ein vier Stunden langes Musikvideo mit finnischen und chinesischen Texten über die Frage, wie echt eine Fälschung sein kann

Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Aber welches ist bloß das falsche, besser gesagt, das richtige?

Dieser nicht nur, aber ganz besonders in der bildenden Kunst gut abgehangenen Frage widmen sich der polnische Regisseur Łukasz Twarkowski und sein zwölfköpfiges Ensemble in der Festwochenproduktion „Rohtko“. Ja, genau, liest sich fast wie Rothko, ist aber kein Rothko.

Damit wäre eigentlich schon das ganze Stück erklärt. Um zu kapieren, dass nicht überall, wo große Kunst draufsteht, auch große Kunst drin ist, hätte man nicht vier Stunden in der Halle E im Museumsquartier absitzen müssen. Kunstskandale gibt’s wie Sand am Meer und so hat auch die Story, um die es hier geht, einen realen Hintergrund: 2004 kauft ein Paar für 8,3 Millionen Dollar ein Gemälde des Expressionisten Mark Rothko. Bloß war der Schöpfer des Kunstwerks in Wahrheit nicht Rothko, sondern ein chinesischer Migrant. Angeblich war das Paar, solange es das Bild für echt hielt, sehr berührt davon, ganz so, wie sich Rothko das vorgestellt hatte. Der wollte mit seinen farbenfrohen Rechtecken Gemälde schaffen, die Menschen zu Tränen rühren würden. Was immer wieder auch passiert sein soll. Kann aber auch ein falscher Rothko zu Tränen rühren? Im Programmheft steht, dass es in „Rohtko“ um diese Frage geht. Zuvorderst aber arbeitet man sich hier an der Frage nach Authentizität ab. Was ist echt, was ist falsch. Mittels Vexierspiel, in dem dieselben Darsteller in immer wieder anderen Rollen auftauchen. Oder sind es die gleichen in denselben Rollen? Ach, hätte man bloß Drehbuchautor Charlie Kaufman um Rat gefragt! Oder den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi, der hätte gewiss gute Geschichten zum Thema auf Lager gehabt.

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Arturs pavlovs

Eine gute Geschichte wird hier leider nicht erzählt. Eigentlich gar keine. Das aber in schönen Bildern, die an eine Mischung aus Aki Kaurismäki und Wong Kar-Wai erinnern. Die Bühne ist wie ein Filmset gestaltet. Da sitzen Kunstmenschen in einem chinesischen Restaurant, das aussieht wie wahrscheinlich alle chinesischen Restaurants auf der Welt, trinken Bier aus grünen Flaschen (je länger der Abend, desto größer die Lust auf Heineken) und wälzen Gedanken über die verkommene Kunstwelt. Wie mies der Kunstmarkt ist. Junge Künstler werden ausgebeutet. Alles basiert auf dem Prinzip „Des Kaisers neue Kleider“, keiner traut sich, zu sagen, dass der Kaiser nackt ist. Ja, eh.

Wie in mindestens jeder zweiten Theaterproduktion der letzten 20 Jahre wird auch hier alles mitgefilmt und auf eine Leinwand übertragen. Weil dort oben alles, was auf Lettisch oder Chinesisch erzählt wird, auf Deutsch zu lesen ist, schaut man eigentlich hauptsächlich auf den Film. Ist ja jetzt überall so: Wer interessiert sich schon für die echte Welt, wenn es eine Kamera gibt.

Arturs pavlovs

Diesfalls ergibt die Filmerei inhaltlichen Sinn, denn es geht hier ja um die Frage nach Echt und Falsch. Zu den schönen Bildern gibt’s Aufzugmusik, unter anderem mit dem sprechenden Refrain „une eternité“ – eine Ewigkeit. Nach einer solchen fühlt sich der Abend auch an. Weswegen, trotz stellenweise extremer Lautstärke, dem einen …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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