„Hier alles tabu“: Ausstellung zu Friederike Mayröcker im Literaturmuseum

Kultur

Eine Ausstellung im Literaturmuseum zeigt, wie Friederike Mayröcker lebte. Das ist wichtig, um ihr Werk zu verstehen.

Vielleicht war die Botschaft ironisch an Einbrecher gerichtet: „Hier alles tabu“ war da in Kreide scheinbar ungelenk auf eine Tafel geschrieben, die ursprünglich  im Fenster von Friederike Mayröckers legendär vollgeräumter Schreibwohnung in der Wiener Zentagasse stand.

Claudia Larcher

Sie hatte mehrere Botschaften dieser Art in der Wohnung verteilt. Waren diese Warnungen auch an Nachlassverwalter gerichtet?  Zeichnungen, Kinderfotos, Briefe an ihre Mutter, Schallplatten, Dutzende Snoopy-Fanartikel: Sollte das Private privat bleiben? Die 2021 mit 96 Jahren verstorbene Dichterin  – sie wollte 200 werden, so viel gab es für sie noch zu entdecken – gab spärlich Persönliches preis. 

Dass sie doch einwilligte, ihren Nachlass dem Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek zu übergeben, kann, wer will, auch mit einer romantischen Komponente versehen:  Vielleicht tat sie das, weil der Nachlass ihres verstorbenen Lebensmenschen, des Dichters Ernst Jandl, bereits dort war.  

Dieser Nachlass ist nun Ausgangspunkt einer Ausstellung im Literaturmuseum der Nationalbibliothek und er ist, wie dessen Leiter Bernhard Fetz sagt, ein „Extrembeispiel einer physischen Überlieferung am Übergang zur digitalen Überlieferung. Ihr Fenster zur Welt war ihre Wohnung und nicht der Bildschirm.“ 

Mayröcker schrieb ausschließlich auf der Schreibmaschine, einer Hermes-Baby, von der sie mehrere Exemplare samt Farbbändern auf Vorrat gekauft hatte. Ihre Manuskripte mussten anschließend mit dem Computer abgetippt werden, wie das auch heute noch der Fall bei ihrem Suhrkamp-Verlagskollegen Peter Handke ist. Eine Herausforderung, die der Verlag, zu dem sie 1975 wechselte, gerne annahm. Korrespondenzen mit dem Verleger Siegried Unseld sind Teil der Ausstellung, außerdem Briefwechsel mit befreundeten Dichtern wie Andreas Okopenko, Gerhard Rühm und ihrem Lebensgefährten Ernst Jandl.

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Claudia Larcher

 Mayröcker schrieb ausschließlich auf der Schreibmaschine, einer Hermes-Baby

Die Schreibmaschine, Symbol des Analogen, ist auch ein Teil von Mayröckers Snoopy-Leidenschaft. Es mache sie glücklich, zu sehen, wie er „dasitzt und auf seiner Schreibmaschine schreibt“, sagte sie einmal zum KURIER, Snoopy sei ihr „Lieblings-Pet“. Die Schriftstellerin zeichnete in privaten Korrespondenzen immer wieder Snoopy-Bilder, die in der Ausstellung ebenso zu sehen sind wie Snoopy-Kuscheltiere und Snoopy-Alben, darunter eines, wohl eines der ersten, mit einer Widmung von Ernst Jandl.

Gleich zu Beginn der Ausstellung taucht man mittels Virtual-Reality-Brille in Mayröckers berühmtes Schreibwohnungschaos ein, in dem sich Zettel, Unterlagen, Manuskripte, Bücher  und  Alltagsgegenstände türmten und unter denen die Möbel zusehends verschwanden. Bernhard Fetz, der die Dichterin dort oft besuchte, erinnert sich: „Nicht einmal das Kaffeehäferl konnte man abstellen.“

Auch anhand von Filmen und Ton-Dokumenten wird die Mayröcker-Welt spürbar. Die vielseitige Künstlerin dichtete, zeichnete und schrieb Kinderbücher, von denen viele hier ausgestellt sind, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Angelika Kaufmann. 

Sie begeisterte sich für vieles: Musik von Bach über Miles Davis bis Anja Plaschg, bildende Kunst (von Bacon bis Dali, sie bezeichnete sich als „Augenmensch“), für Mode und Philosophie. Alles hat Spuren hinterlassen in ihrer Wohnung, die Schreib-und Erfahrungslabor war.  

ONB

Mayröcker mit einem Selbstporträt

Der Einblick in ihre private Welt, in das Leben all dieser Objekte, ist also keinesfalls indiskret, sondern wesentlich für das Verständnis ihrer Texte, die voll von Assoziationsketten sind. „nicht nur das Geschriebene, auch die Existenz musz poetisch sein.“ 

Friederike Mayröcker lebte …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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