
Kurt Bardos wurde 1914 in Brünn geboren – in eine bürgerliche, jüdisch-assimilierte Familie. Nach der Matura studierte der junge Mann Medizin, doch seine Leidenschaft galt der Fotografie. Ab 1936 legte er Alben an – mit Porträts, Stillleben, Schnappschüssen und Naturaufnahmen. Seine eigene Geschichte festhalten konnte er nicht mehr: 1944 verliert sich die Spur in Auschwitz.
Kurt Bardos
Kurt Bardos (Aufnahme aus dem Frühjahr 1938)
Seine Schwester Ilse, die er immer wieder fotografiert hatte, überlebte die Shoah. Mitte der 90er-Jahre erinnerte sie sich in Gesprächen mit ihren Töchtern an damals: „Die Deutschen sind einmarschiert, die Nazis, am 15. März 1939. Gegenüber von uns auf dem Tivoli waren die Häuser alle beflaggt mit Hakenkreuzfahnen. Von dort sind wir dann vertrieben worden – und dann nach Terezín, Theresienstadt.“ Das war Ende 1941. Nach fünf Wochen ging das Martyrium weiter: „Es war ein sehr kalter Winter. Wir sind gefahren und gefahren und auf Nebengleisen gestanden und nach Tagen in Riga angekommen. (…) Man hat sich an das Ghetto, muss ich sagen, gewöhnt. Wir haben die Exekutionen nicht gesehen, aber die Leute, wie sie dort hängen, und wir mussten das anschauen. Als abschreckendes Beispiel. Man stumpft ab.“
Später kamen Ilse und deren Mutter Käthe in ein anderes Lager. 1944 ging es weiter: „In Stutthof und auf dem Todesmarsch wollte ich sterben, muss ich zugeben. Es war Winter, kalt, ich konnte nicht mehr, ich wollte im Schnee erfrieren. Da hat mir die Mama gesagt: ,Du wirst heiraten, Kinder haben, das Leben beginnt‘ – das habe ich mir gar nicht vorstellen können, absolut nicht. Ein oder zwei Tage später sind die Russen gekommen. Das war in Puck, in der Nähe von Danzig. Als wir endlich (im Juni 1945, Anm.) in Brünn angekommen sind, haben wir geweint.“ Die Suche nach Kurt und dessen Frau blieb erfolglos.
Aber dann geschah etwas Erstaunliches. Im Herbst jenes Jahres wurde Ilse Bardos auf Tschechisch von einem Unbekannten angesprochen: „Entschuldigen Sie, waren Sie vielleicht 1938 mit einem Kurt Bardos in der Hohen Tatra?“ Er hatte sie auf einem der Fotos erkannt – und gab die Alben zurück, die ihm Kurt vor der Deportation überlassen hatte. Seither werden diese von der Familie wie ein Schatz gehütet.
Kurt Bardos
Foto von Kurt Bardos aus 1936: Karussell
1946 heiratete Ilse den Shoah-Überlebenden Armin Weltmann. Der Textildesigner wurde 1951 von den Kommunisten als „zionistischer Verschwörer“ sieben Monate inhaftiert. Nach der Enteignung seiner Fabrik, die er nach der „Arisierung“ zurückerhalten hatte, musste er als „Feind des Arbeiterstandes“ mit Ilse, deren Mutter und den drei Töchtern nach Gablonz übersiedeln. 1964 wanderte die Familie nach Israel aus und ließ sich schließlich 1967 in Wien nieder.
In der ehemaligen Synagoge von St. Pölten wird die Odyssee der Familie nun nacherzählt – u. a. mit Objekten: einer Holzschatulle aus Brünn, einem Aschenbecher aus Gablonz, einem Kidduschbecher aus Israel und Servietten aus Wien. Im Mittelpunkt der von Martha Keil kuratierten Ausstellung aber stehen die präzis komponierten Fotos von Kurt Bardos im Stil jener Zeit. Leider nur als Faksimiles. Aber die Originale gibt die Familie – aus guten Gründen – nicht aus der …read more
Source:: Kurier.at – Kultur