Vor Gericht: Martin Kušejs Trotz und die Blauäugigkeit der Burg

Kultur

Trenklers Tratsch: Der Fall Teichtmeister ist wieder Thema. Es ist gut, dass der Burgtheaterdirektor jetzt geht

Irgendwann, und das schon recht früh, lief es nicht mehr rund für Martin Kušej.

Zu Beginn seiner Funktionsperiode (sie begann im Herbst 2019) hatte sich der Burgtheaterdirektor gegenüber deutschen Medien als Feindbild der FPÖ stilisiert. Doch die Rechtspopulisten griffen ihn, wie ärgerlich, gar nicht an. Sie wissen seit den Tagen von Jörg Haider, dass sie auf dem Feld der Kulturpolitik nichts auszurichten vermögen: Ihre Künstler – darunter der Mann, der sich Odin Wiesinger nennt – taugen bloß als Lachnummern. Und es läuft auch ohne Kulturkampf recht gut für sie.

Kušej also boxte teufelswild gegen Schatten. Und seine Inszenierungen – etwa der „Hermannsschlacht“ – wurden nicht in dem Maße gelobt, wie er es sich wohl erwartet hätte. Man mäkelte über die schlecht lesbare Schrift der Programmhefte wie über seinen Führungsstil. Dann torpedierte Corona den Spielplan – und seine „Tosca“ ging im Schneegestöber, überlagert von einem Buh-Orkan, eiskalt unter.

Er konnte tun, was er wollte: Es lief einfach nicht. Kušej verhielt sich zunehmend wie ein trotziges Kind. Er unterstellte Staatssekretärin Andrea Mayer, das Burgtheater in eine Krise zu führen, weil sie seinen Vertrag nicht verlängerte. Er lässt es zu, dass man sich auf der Bühne über seinen Nachfolger Stefan Bachmann – er präsentiert am Dienstag (23. April) sein Programm – lustig macht. Und er verweigert Kulturjournalisten gerne Interviews.

Zu all dem kam der Fall Teichtmeister. Mitte September 2021 wurde eine „Prügel- und Porno-Affäre“ rund um einen „prominenten Schauspieler“ bekannt. Dass es sich um Florian Teichtmeister handelte, machte schnell die Runde – auch im Burgtheater. Es passierte aber nichts: Kušej übertrug dem Freund auch die Hauptrolle in „Nebenan“, seine Inszenierung hatte Mitte Oktober 2022 Premiere.

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APA/FLORIAN WIESER

Mimte lang das Unschuldslamm: Florian Teichtmeister

Drei Monate später wurde bekannt, dass bei Teichtmeister u. a. 58.000 Dateien mit Kindermissbrauchsmaterial gefunden worden waren. Kušej machte nun große Augen: Teichtmeister hätte stets beteuert, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. (Er verschwieg das Ausmaß, weil er auf eine Diversion hoffte, also glaubte, die Angelegenheit ohne Aufsehen durchtauchen zu können.)

Und dann, nach Ende der Schockstarre, reagierte Kušej trotzig: Er setzte „Nebenbei“ einfach ab. Damit sich die Burg keiner Verfehlung schuldig machte, ging sie nun doch gegen Teichtmeister vor und klagte den Schaden für ausgefallene Vorstellungen, neu gedruckte Programmhefte und Rechtsanwaltskosten ein. Die Summe stieg auf bereits 94.493 Euro.

Mit Scheuklappen

Am Montag fand die Verhandlung vor dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht statt. Teichtmeister, im September zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt, zeigte sich überzeugt davon, dass es der Burg möglich gewesen wäre, „Nebenan“ umzubesetzen. Und dessen Anwalt Manfred Arbacher-Stöger stellte berechtigte Fragen: Warum hat das Burgtheater nach Bekanntwerden der Vorwürfe nichts gemacht? Teichtmeister hätte ja dienstfreigestellt und eine Zweitbesetzung vorbereitet werden können. „Warum hatten Sie so Scheuklappen auf?“

Robert Beutler, der kaufmännische Geschäftsführer, bekannte – laut Kronen Zeitung – ein: „Vielleicht lag eine Blauäugigkeit vor.“ Das ist vornehm formuliert. Ihr Tratschpartner wird den Verdacht nicht los, dass es eine Justamenthaltung gab. Das Urteil wird erst in Monaten schriftlich ergehen.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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