Britische Labour-Partei will Aristokraten aus dem Oberhaus verbannen

Politik

Keir Starmer möchte auch eine Altersgrenze von 80 Jahren einführen. Die zweite Parlamentskammer könnte von 800 auf 414 Mitglieder schrumpfen. Wieso die Reform überfällig ist und was Kritiker auszusetzen haben.

 Die wichtigste Voraussetzung für eine Karriere im Parlament? Man denkt an eine fundierte Ausbildung, Kommunikationsstärke oder ein breit gefächertes Netzwerk. 

Doch in Großbritannien reicht es oft, in die „richtige“ Familie hineingeboren zu sein. Die sogenannten erblichen Mitglieder (orig. hereditary peers) des Oberhauses bekommen ihren Platz in der zweiten Parlamentskammer immer noch in die Wiege gelegt.

Für Labour-Premierminister Keir Starmer ist diese Praxis „altmodisch“ und „nicht länger vertretbar“. Er will deshalb heuer die 92 erblichen Mitglieder – die nach der Reform des früheren Labour–Premiers Tony Blair im Oberhaus übrig geblieben sind – endgültig entfernen.

Experten begrüßen den Schritt. „Es gibt absolut keine Rechtfertigung dafür, dass Menschen in einer Legislative des 21. Jahrhunderts sitzen, nur weil sie in die Aristokratie hineingeboren wurden“, meinte Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary University zum KURIER. 

APA/AFP/BENJAMIN CREMEL

Und Professorin Meg Russell vom University College London schrieb in The Conversation, dass diese Gruppe „anomal“ und eine Reform „längst überfällig“ ist: „Es wird, so hoffe ich, dem Image und der Glaubwürdigkeit des Oberhauses zugute kommen, dass es keine Mitglieder mehr gibt, die aufgrund ihrer Vererbung dem Oberhaus angehören.“

„Kein Downton Abbey“

Das sehen nicht alle so. „Wir sind keine die Portwein-schwingenden, Fuchs-jagenden Angeber auf riesigen Anwesen wie bei Downton Abbey“, sagte Godfrey John Bewicke-Copley, der 7. Baron Cromwell, zur New York Times. Eher: „Hartarbeitende Fachleute.“ 

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Oberhaus Baroness Jenny Jones fragte sich wiederum im Guardian, wieso nur über die erblichen Mitgliedern gesprochen werde, die seit Blairs Reform tatsächlich aus einem größeren Pool an Adeligen gewählt werden (wenn auch nur von den Kollegen, nicht vom Land). 

APA/AFP/POOL/HENRY NICHOLLS

Wieso stünden, will Jones wissen, die Bischöfe und „Mitglieder auf Lebenszeit“, die vom Premierminister vorgeschlagen werden, nicht zur Diskussion.

Bischöfe als moralisches Gewissen

Die Abschaffung der Bischöfe sollte laut Politikprofessor Tim Bale „als nächstes auf der Tagesordnung stehen“. Das könnte aber schwieriger zu verkaufen sein, da die Menschen gerne glauben, dass es eine Art „moralisches Gewissen“ gibt, das in Westminster vertreten ist.  

Das andere große Problem sieht auch Professor Meg Russell „in der unkontrollierte Möglichkeit des Premierministers, Mitglieder des Oberhauses zu ernennen – wen immer er will, wann immer er will und in beliebiger Zahl“. 

Ironischerweise hat Keir Starmer erst im Dezember seine ersten Nominierungen bekannt gegeben – darunter Parteikollegen, die zuletzt abgewählt wurden, und seine frühere Stabschefin Sue Gray.

Nicht mehr älter als 80?

Kampflos will die Opposition jedenfalls nicht aufgeben. Konservative Abgeordnete planen Starmers Vorstoß mit Änderungsanträgen und parlamentarischen Tricks aufhalten. 

Doch der Labour-Chef denkt bereits weiter. Laut Guardian möchte Starmer das Oberhaus weiter verschlanken und eventuell eine Altersgrenze von 80 Jahren einführen. Damit könnte die Zahl der Peers von 800 auf 414 sinken.

Auch wenn die Diskussion derzeit hitzig geführt wird, neu ist sie nicht, erinnert Professorin Meg Russell: Bereits unter Charles I. gab es Bedenken, dass zu viele neue Adelstitel geschaffen wurden und die Kammer zu groß wurde. 1719 wurde überlegt, die Schaffung neuer Adelstitel nur zuzulassen, wenn bestehende Linien ausstarben.

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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