EU-China-Experte: „Der Angriff auf Taiwan hat längst begonnen“

Politik

Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation im EU-Parlament, sprach mit dem KURIER über Europas Verhältnis zu China.

Mit der kommenden Europawahl am 9. Juni endet die lange Karriere des China-Experten Reinhard Bütikofers im EU-Parlament. Im KURIER-Gespräch blickt das Urgestein der deutschen Grünen zurück auf den Wandel der chinesisch-europäischen Beziehungen, auf einen „spektakulär dummen“ Sager Emmanuel Macrons – und erklärt, warum die China-Reise des deutschen Kanzlers Olaf Scholz in dieser Woche beweist, dass die neue deutsche China-Strategie noch nicht im Kanzleramt angekommen ist.

REUTERA/Ann Wang

Der grüne EU-Abgeordnete und Vorsitzende der China-Delegation im EU-Parlament: Reinhard Bütikofer.

KURIER: Sie sind seit 2009 im EU-Parlament, sitzen dort im außenpolitischen Ausschuss und haben seit fünf Jahren den Vorsitz der Chinadelegation. Wie hat sich in diesen 15 Jahren das Verhältnis zwischen Europa und China verändert?

Reinhard Bütikofer: Ein entscheidender Moment war die Machtübernahme von Xi Jinping 2012. Damals begann eine politische Rolle rückwärts. Die Kommunistische Partei mischte sich wieder viel stärker in das Alltagsleben der Bürgerinnen und Bürger ein, kleine Freiheiten verschwanden, kritisches Denken wurde ziemlich gefährlich. Die Wirtschaft wurde völlig der Parteipolitik unterworfen, auch die Außenpolitik wurde deutlich aggressiver.

2019 begann die EU, von ihrer blauäugigen Win-Win-Rhetorik abzurücken und China zwar noch als Partner, aber auch als Wettbewerber und systemischen Rivalen zu begreifen. Mit brutalen Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren und mit der Einführung des nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong bewies Chinas Führung den Willen zur totalen Macht und die Bereitschaft, internationale Verträge einfach zu brechen.

2021, als China Sanktionen gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments und gegen Thinktanks wie MERICS (Mercator-Institut für Chinastudien, Anm.) verhängte, wurde das Verhältnis noch einmal schlechter. Vor zehn Jahren hatten zwei Drittel der Europäer ein positives Bild von China. Heute ist es genau umgekehrt.

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Die Bezeichnung Chinas als „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ findet sich auch in der China-Strategie der deutschen Bundesregierung wieder, die 2023 veröffentlicht wurde. Wie muss Europa aus Ihrer Sicht mit China umgehen?

Die EU ist ja viel kritisiert worden für diesen Dreiklang: Partner, Wettbewerber, Rivale. Nach dem Motto: „Könnt ihr euch nicht auf ein Wort einigen?“ Ich halte das für eine oberflächliche Kritik, weil die Realität eben widersprüchlich ist. Wir sind weiter interessiert an einer Partnerschaft mit China, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Klimakrise, aber das heißt nicht automatisch, dass sich China auch wie ein Partner benimmt.

Wenn wir sagen, China ist ein systemischer Rivale, dann heißt das: Chinas Gesellschafts- und Staatsbild hat nichts zu tun mit Rechtsstaatlichkeit, mit Menschenrechten, mit Demokratie. Es ist ein totalitäres System – und extrem zentralistisch. Ich würde sogar sagen, Xi Jinping hat heute mehr Macht, als Mao je hatte.

Und dieses System ist mit unserem im Wettbewerb?

Genau. „Systemischer Rivale“ weist auch darauf hin, dass China damit angefangen hat, sein Unterdrückungssystem zu exportieren. Die Kommunistische Partei verfolgt eine fundamentale Umwälzung der internationalen Beziehungen. Seit der Gründung der Vereinten Nationen sind die territoriale Souveränität und nationale Integrität aller Länder der gültige Maßstab. Das heißt nicht, dass beides nicht etliche Male verletzt worden wäre, aber das war der grundsätzliche Rahmen, auf den man sich geeinigt hat.

China verfolgt heute offen das Ziel, diese Ordnung durch ein …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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