
Die Bühne ist groß, man könnte sogar sagen: Es ist die prächtigste, die die Justiz zu bieten hat, jedenfalls was das Gebäude angeht: Im Wiener Justizpalast kämpft Montagvormittag der frühere ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz um sein Recht.
Er wehrt sich vor dem Oberlandesgericht Wien, kurz OLG, gegen einen Schuldspruch, der vor mehr als einem Jahr gegen ihn gefällt wurde. Es geht um einen Untersuchungsausschuss und eine mögliche Falschaussage. Und gemeinsam mit Kurz ist Bernhard Bonelli vor Ort. Wie der Ex-Kanzler wurde auch Bonelli in erster Instanz für schuldig befunden; und wie Kurz bekämpft sein früherer Kabinettschef die Entscheidung nun in der nächsten Instanz, also vor dem OLG.
Wie konnte es soweit kommen?
Grund dafür, dass Sebastian Kurz im Februar 2024 mit acht und Bernhard Bonelli mit sechs Monaten bedingter Haft belegt worden sind, ist der so genannte Ibiza-Untersuchungsausschuss. Vor diesem mussten die beiden im Jahr 2020 aussagen.
APA/HELMUT FOHRINGER / HELMUT FOHRINGER
Und mit dem Blick auf die Protokolle kamen zunächst die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und später auch ein Richter des Wiener Straflandesgerichts zu dem Schluss, dass Kurz und Bonelli den Tatbestand der Falschaussage erfüllt haben (Die Details vom Tag der Urteilsverkündung im Februar 2024 können Sie hier nachlesen).
Hat Kurz die Bestellung Schmids beeinflusst?
Die konkrete Angelegenheit, die damals im Parlament besprochen wurde, ist ein wenig sperrig. Die Abgeordneten wollten wissen, welche Rolle Kurz bei der Bestellung der Spitze der Staatsholding ÖBAG gespielt hat. Wie berichtet, hat sich der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, den Chefposten in der ÖBAG selbst mehr oder weniger „organisiert“, indem er den Bestellungsvorgang manipuliert hat.
Und das ist die Stelle, an der die Darstellungen von Kurz und Schmid auseinandergehen: Während der Ex-Kanzler im Ausschuss und auch in der Öffentlichkeit erklärt, er habe den Bestellungsprozess in der ÖBAG nicht wesentlich beeinflusst, sondern sich in seiner Funktion als Regierungschef nur auf dem Laufenden halten lassen, zeichnete Schmid ein anderes Bild: Kurz habe bei der Bestellung der ÖBAG-Posten eine zentrale Rolle gespielt.
Genau das ist auch der Schluss, zu dem der Richter bei der Verhandlung im Vorjahr gekommen ist: Entgegen den Tatsachen habe Sebastian Kurz im U-Ausschuss den Eindruck erweckt, er sein im Detail nicht in die ÖBAG-Bestellungen eingebunden gewesen. Und darin sieht das Gericht den Meineid bzw. die Falschaussage.
Gestützt wird diese Einschätzung von Thomas Schmid, der mittlerweile zum Kronzeugen avanciert ist und Kurz belastet.
Wie will nun der frühere Kanzler das OLG von seiner Unschuld überzeugen?
Die Argumente des Ex-Kanzlers
Im Wesentlichen dienen Kurz dazu zwei Argumentationsstränge: Der eine ist ein semantischer. „Ich wurde nicht verurteilt, weil ich etwas Falsches gesagt habe, sondern weil der Richter meinte, ich hätte zu wenig gesagt“, argumentiert Kurz. Als er im U-Ausschuss ausgesagt habe, sei er bei der zentralen, später inkriminierten Aussage unterbrochen worden. „Das wurde im erstinstanzlichen Urteil ignoriert und als Falschaussage umgedeutet.“ Anders gesagt: Wer eine offene Frage gestellt bekomme, diese beantworte und dabei unterbrochen werde, könne schwerlich als Lügner dastehen.
Ein anderer Punkt ist für Kurz und seine Verteidiger der, wonach das Gericht „zentrale Beweise unzureichend berücksichtigt und in seiner Beweiswürdigung elementare rechtliche Maßstäbe verkannt …read more
Source:: Kurier.at – Politik