Lage an der Front in der Ukraine: „Die Situation ist beschissen“

Politik

Während die ersten Häftlinge eingerückt sind, sinkt die Bereitschaft in der Bevölkerung, an die Front zu gehen.

„Die Situation ist beschissen, sie rücken Stück für Stück vor“, sagt ein ukrainischer Soldat, der westlich von Awdiijwka eingesetzt ist, zum KURIER. Seit die russischen Streitkräfte die Stadt im Februar eingenommen haben, sind sie 21 Kilometer in westlicher und 25 Kilometer in nordwestlicher Richtung vorgerückt. Unter großen Verlusten, doch mit ständigem Nachschub an Soldaten. Vor allem fehlen ihnen noch etwa sieben Kilometer, um zu einer für die Ukrainer wichtigen Versorgungsstraße vorzustoßen, die die Stadt Dnipro mit Kostjantyniwka und in weiterer Folge mit Tschassiw Jar verbindet. 

Neue Front droht

Wenngleich die russischen Streitkräfte 170 Kilometer Luftlinie vom Fluss Dnipro entfernt sind – die Einnahme des Straßenabschnitts würde die Situation der ukrainischen Streitkräfte an der Front im nördlichen Donbass unweigerlich verschlechtern. Indes kämpft ein signifikanter Teil…

…der ukrainischen Reserven an der neuen Front im Raum Charkiw gegen etwa 50.000 russische Soldaten. Wo es einerseits gelingt, die russischen Streitkräfte teilweise zurückzudrängen, andererseits heftige Gefechte stattfinden – wie etwa in der Stadt Wowtschansk. Wie ein Damoklesschwert schwebt allerdings die Möglichkeit, dass Moskau eine weitere Front im Raum Sumy eröffnet, über der Ukraine. Das würde die ukrainischen Reserven noch weiter ausdünnen – und einen tieferen Vorstoß der Russen im Donbass wahrscheinlicher machen.

Häftlinge an der Front

Menschliche Reserven sind eines der großen Probleme der Ukraine. Laut einer Umfrage des staatlichen Senders Suspilne News sind nur 20 Prozent der 25 bis 59 Jahre alten Männer bereit, einzurücken. Bereits jetzt kämpfen ukrainische Häftlinge an der Front, wie es in Russland seit Längerem der Fall ist. Seit Mai sollen es 2.800 sein, Kiew erwartet sich bis zu 20.000 Häftlinge in Uniform – noch immer zu wenig, um den Bedarf der Streitkräfte zu decken.

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Neben Artillerieschlägen, Drohnenangriffen und Mehrfachraketenwerfen machen vor allem die russischen FAB-Bomben den ukrainischen Streitkräften zu schaffen. Diese Gleitbomben sind im Wesentlichen konventionelle Bomben, die mit Navigationssystemen und zusätzlichen Flügeln ausgestattet sind. 

Sie sind leicht und günstig herzustellen – und zerstören regelmäßig ukrainischen Stellungen. Mehr als einhundert FAB-Angriffe pro Tag verzeichnen die ukrainischen Streitkräfte. Allein die Krater, die diese Bomben – von 250 bis 3.000 Kilogramm schwer– verursachen, sind massiv. Gebäude können den Einschlägen nicht standhalten, feste Stellungen zumeist ebenfalls nicht.

Kurier/Juerg Christandl

Ein Gegenmittel wären Kampfjets, die die Bomber, die die FAB-Bomben tragen, theoretisch abschießen könnten. Sollten in Zukunft F-16 in den Krieg eingreifen, bleibt dennoch fraglich, ob sie von der russischen Luftabwehr unbehelligt angreifen können – und noch mehr, wo sie landen und wie verhindert werden kann, dass sie am Boden zerstört werden. Erst in der Nacht auf Dienstag nahm Moskau den Luftwaffenstützpunkt in Starokostjantyniw in der Westukraine unter Beschuss, zerstörte nach eigenen Angaben fünf Kampfjets. Kiew dementierte umgehend, räumte jedoch Verluste ein. 

Wie geht der ukrainische Soldat, mit dem der KURIER sprach, mit dieser Lage um? „Uns bleibt nichts anderes übrig als zu kämpfen.“

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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