
Es war eine Entscheidung, die viele überrascht hat. Und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass er den meisten der auf dem Petersplatz analog oder digital Versammelten kein Begriff war: Kardinal Robert Prevost, nunmehr Leo XIV.
Einmal mehr hat sich die Weisheit bestätigt (die freilich auch nicht immer gegolten hat), dass, wer als Favorit ins Konklave hineingeht, als Kardinal wieder herauskommt. Vor allem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der philippinische Kurienkardinal Luis Tagle waren ja zuletzt vor allem als Top-Kandidaten genannt worden. Für näher mit der Materie Befasste war er freilich in einem weiteren Feld von Papabili – und Kardinal Christoph Schönborn, der zuletzt noch am sogenannten Vorkonklave (den Beratungen der Kardinäle vor der eigentlichen Wahl) teilgenommen hatte, meinte gar, er habe „im Herzen auf ihn getippt“.
Der heutige Papst war zuständig für die Bischofsernennungen
Pikanterweise war Kardinal Prevost zuletzt Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, also zuständig für die Bischofsernennungen auf der ganzen Welt – und bekanntlich ist ja einer der derzeit vakanten Bischofssitze jener von Wien.
Kein weiterer Franziskus
Bemerkenswert ist die Namenswahl: kein weiterer Franziskus (das war allerdings auch nicht unbedingt erwartet worden), kein Benedikt, Johannes, Paul, Johannes Paul, auch kein Pius – aber doch ein „großer“ Papstname: Dessen letzter Träger war Leo XIII. (1878–1903, das drittlängste Pontifikat der Kirchengeschichte) – der Autor einer der berühmtesten und wirkmächtigsten Enzykliken, „Rerum novarum“, die Mutter aller Sozialenzykliken, über deren Auslegung freilich sich lebhaft diskutieren lässt: weil ja nicht zur Debatte steht, ob die Kirche auf der Seite der Armen steht, sondern wie sich Armut am besten bekämpfen lässt.
Leo XIII. – beim Amtsantritt etwa so alt wie Kardinal Prevost – war auch Papst in einer Zeitenwende, als das alte Europa sich seinem Ende zuneigte – und auch heute ist mit Händen zu greifen, dass wir an vielen Fronten mit einem geradezu disruptiven Wandel konfrontiert sind.
Name und Herkunft
Leo ist übrigens auch neben Gregor der einzige Papstname, bei dem ein Vertreter die Beifügung „der Große“ zugesprochen erhielt: Leo I. (5. Jahrhundert) gilt als einer der ersten Bischöfe von Rom, die ihrem Amt umfassende Geltung verschafften und somit als „Papst“ im engeren Sinn bezeichnet werden können und Wesentliches zur Vertiefung und Profilierung der kirchlichen Lehre beitrug.
Leo XIV. wird auch in diesem Bereich ein weites Betätigungsfeld vorfinden, nachdem der charismatische und impulsive Franziskus auch lehrmäßig viele Luftballone steigen hat lassen, dabei aber vieles ungeklärt blieb. Sodass am Ende sich gleichermaßen „Reformer“ wie „Konservative“ von Franziskus bestätigt fühlten oder aber enttäuscht zurück blieben.
Der erste US-Amerikaner
Nicht minder bedeutsam erscheint die Herkunft des neuen Pontifex: Er ist der erste US-Amerikaner auf dem Stuhle Petri. Das galt bisher als Tabu, weil die Weltmacht USA nicht auch noch den obersten geistlichen Führer stellen sollten. Aber das ist gerade in diesen Zeiten, da der oberste politische Repräsentant seines Heimatlandes die Welt gleichsam in Echtzeit in Atem hält, von ganz besonderer Brisanz. Prevost gilt nicht als Trump nahestehend, dürfte ihm wohl eher kritisch gegenüber stehen – aber auch nicht zum Kreis der expliziten Gegner zählen. Das würde auch zu jenem Image passen, das ihm vorauseilt: …read more
Source:: Kurier.at – Politik