Netanjahus Kabinett will über einen vorübergehenden Waffenstillstand abstimmen. Doch was verspricht dieser ohne der Hisbollah am Tisch?
Seit Wochen reist US-Unterhändler Amos Hochstein zwischen Israel und dem Libanon hin und her. Sein Ziel: ein Waffenstillstand.
Die Times of Israel hat unter Verweis auf einen Beamten vermeldet, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wolle am Abend das Sicherheitskabinett einberufen, um eine 60-tägige Waffenruhe mit der proiranischen Schiiten-Miliz zu billigen.
Offiziell geben sich beide Seiten optimistisch. Doch was vom Abkommensvorschlag durchgesickert ist, wirft viele Fragen auf.
Es fängt schon mit der Unterzeichnung an: Im Gespräch miteinander sind die Regierungen in Beirut und Jerusalem. Israels eigentlicher Feind, die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, tritt nur als passiver Dritter auf. Optimisten wie Hochstein selbst wollen den Waffenstillstand als mögliche Grundlage so bald wie möglich zu einem Friedensvertrag zwischen Israel und Libanon ausweiten. Pessimisten werden von der gegenwärtigen Frontlage unterstützt. Beide Seiten haben ihre Angriffe noch einmal spürbar verstärkt.
Staat soll bürgen
Im Krieg unterscheidet Israels Armee weitgehend zwischen Hisbollah, dem Staat im Staate, und dem eigentlichen Staat Libanon. Im Abkommen soll es umgekehrt sein: Der seit Jahren im Chaos versinkende Staat Libanon soll für die stärkste Terrormiliz der Welt bürgen. Sie ist durch Israels Offensive schwer angeschlagen, aber keineswegs kampfunfähig. Auch Israels Premier Netanjahu zeigt sich optimistisch.
Doch die Bürgermeister der Grenzorte im Norden zweifeln aufgrund ihrer Erfahrungen an der Haltbarkeit der sich abzeichnenden Waffenruhe. Immer wieder kam es seit den 1970-er Jahren zu Abkommen – mal mit Sicherheitszonen, mal mit internationaler Kontrolle durch die UNIFIL-Blauhelme. Und immer wieder waren die Abkommen nur eine Verschnaufpause vor der nächsten Kampfrunde.
REUTERS / Amir Cohen
Premier Netanjahu und sein früherer Verteidigungsminister Gallant.
Zweifel hat auch David Azulay, der Bürgermeister von Metula, Israels nördlichster Grenzort: „Ich vertraue niemandem. Keiner UNIFIL, keiner französischen oder amerikanischen Eingreiftruppe, auch nicht meiner Regierung und sogar der Armee nicht!“ Er ist fest davon überzeugt: Sobald in den zerstörten libanesischen Grenzdörfern wieder Menschen wohnen, kehrt auch die Hisbollah zurück, als Zivilisten getarnt oder „umrekrutiert“.
Ende der Siebziger Jahre wurden so aus Terrormilizionären nach einem Uniformwechsel Soldaten der regulären Armee. Sie sollten unter ihren alten Miliz-Kommandeuren eine „Entmilizierung“ der Pufferzone an der Grenze gewährleisten.
Schwache Armee
Libanons reguläre Armee kann sogar mit der angeschlagenen Hisbollah kaum mithalten. Schon 2006 sollte die Armee dem UN-Sicherheitsratsbeschluss 1701 folgend die Entwaffnung der Hisbollah einleiten. Doch die stockte unbeeindruckt ihre Waffenarsenale auf und baute neue Stellungen.
APA/AFP/FADEL ITANI
Rauchwolken über Beirut am Dienstag.
Seit Ende des libanesischen Bürgerkriegs 1989 sind alle sunnitischen, schiitischen, christlichen und drusischen Milizen als politische Parteien aktiv. Die Hisbollah beharrte auf ihren Kampf gegen Israel. Im Parlament hat sie gerade einmal 15 von 128 Sitzen.
Ohne Entwaffnung der Terror-Armee bleibt eine langfristige Waffenruhe eine Illusion. Eine Illusion war auch die Annahme, einer Waffenruhe im Gazastreifen folge ein Kampfende im Norden. Jetzt erhofft sich Netanjahu, durch Ruhe an der Nordgrenze den Krieg im Süden weiterführen zu können. Die Befreiung der verbliebenen 101 israelischen Geiseln ist nicht das Kriegsziel. Netanjahus extremistische Koalitionspartner lehnen sie ab, steuern stattdessen eine Besatzung mit Siedlungsbau an.
Netanjahu befürwortet das zwar nicht. Doch zieht er derzeit einen ziellosen Abnutzungskrieg vor, …read more
Source:: Kurier.at – Politik