„Ambleto“ im Theater an der Wien: Wie Hamlet zum Axtmörder wird

Kultur
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Ganz ehrlich, wer hat noch nicht während einer Barockoper bei der soundsovielten Wiederholung einer Arie auf die Uhr geblickt? Bei „Ambleto“ von Francesco Gasparini im Theater an der Wien werden Sie das nicht tun. Garantiert. Was Regisseurin Ilaria Lanzino aus dieser „Hamlet“-Oper aus dem Jahr 1705 macht, ist so spannend wie ein Thriller von Hitchcock und so blutig wie ein Krimi des skandinavischen Meister des Grauens Jo Nesbø.

Im KURIER-Interview kündigte sie bereits an, Hamlets Geschichte zeige, wie jemand zum Amokläufer werden kann. Sie verlegt das Geschehen in die Gegenwart. Hamlet trauert um seinen Vater. Seine Mutter und sein Onkel haben den todkranken Mann gepflegt, sich dabei ineinander verliebt und heiraten kurz nach seinem Tod. Im ersten Bild röchelt sich eine junge Frau blutüberströmt in einer Badewanne ihrem Ende entgegen. Dann folgt der Rückblick, wie es dazu kam. 

Herwig PRAMMER

Lanzoni hat das Geschehen aus den erhaltenen Arien rekonstruiert. Die verschollenen Rezitative ersetzte sie durch Versatzstücke aus Shakespeares „Hamlet“, die sie selbst bearbeitet hat. Jede Figur hat ihre eigene Sprechstimme, die aus dem Off eingespielt wird. Spieltechnisch funktioniert das sehr gut. Schauplatz ist ein modernes Haus (Bühne: Martin Hickmann). Lanzinos führt ihre Figuren präzise. 

Zu Beginn sind Hamlet und Ophelia ein junges Paar, sie will ihn verführen, um ihn von seiner Trauer abzulenken, er lungert lethargisch vor dem Doppelbett. Von Szene zu Szene steigert er sich in seinen Wahn, wird zum Vergewaltiger und Totschläger. Am Ende metzelt er mit der Axt fast alle nieder und wird von Ophelia erdolcht, die sie sich dann selbst das Leben nimmt. 

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Herwig PRAMMER

Erika Baikoff ist eine brillante Ophelia. Virtuos intoniert sie die Koloraturen, ihr expressiver Sopran klingt in allen Lagen betörend. Anna Maria Labin überzeugt mit ihrer samtigen Stimme. Maayan Licht trumpft als helltönender, wie Sammy Davies jr. tänzelnder Countertenor auf. Miklós Sebestyén intoniert den Claudius nobel. Nikolay Borchev überzeugt als Polonius in jeder Hinsicht.

Countertenor Raffaele Pe geht darstellerisch so in Titelrolle auf, dass er dem vokalen Ausdruck seiner Emotionen den Schöngesang opfert. Als Gründer des Barockensembles La Lira di Orfeo, weiß er, was er tut. Mit Konzertmeisterin Elisa Citterio hatte er das Stück einstudiert. Die führt die Formation (hervorragend die Bläser) mit Drive, lässt das Schroffe, das Raue dieser Musik hören und wird wie alle in diesem phänomenalen Musiktheater bejubelt.

KURIER-Wertung: 4 ½ Sterne

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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