Antisemitismusdebatte bei den Wiener Festwochen: Worum und um wen es geht

Kultur

Worum geht es in der Debatte, wer sind die handelnden Personen und was hat das alles mit „Postkolonialismus“ zu tun? Ein Erklärstück.

Ein Erklärstück in vier Personen und einem Diskurswegweiser

Erst am 17. Mai starten die ersten Wiener Festwochen des neuen Intendanten Milo Rau. Schon jetzt aber hat sich das Kulturfestival eine giftige Debatte eingetreten: Vor allem die ÖVP kritisiert, dass die Festwochen dem „Antisemitismus eine Bühne bieten“. Am Montag hat sich Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler vor dem Gemeinderat zur Debatte geäußert. 

Es geht in der Debatte um den sogenannten „Rat der Republik“ bei den Wiener Festwochen. Rau will künstlerisch eine Freie Republik Wien errichten, der Rat soll dabei Input liefern. 100 Personen sollen da involviert sein, an zweien hat sich die Debatte entzündet, an Yanis Varoufakis und Annie Ernaux.

Pikant ist, dass sich der Gemeinderat auch mit Stimmen der SPÖ (!) gegen die Involvierung der beiden bei den Festwochen ausgesprochen hat. Warum, das lesen Sie hier.

Person 1: Yanis Varoufakis

Kaum ein ehemaliger griechischer Finanzminister taucht nach seiner Amtszeit noch in den internationalen Medien auf. Yanis Varoufakis schon, und zuletzt sogar stark: Gegen ihn verhängte Deutschland zuletzt sogar ein Einreise- und Auftrittsverbot. Der Grund ist Varoufakis‘ Position im Gaza-Konflikt: Varoufakis hat eine Petition für den Ausschluss Israels von der Venedig-Biennale unterschrieben, im Text wird Israel „Völkermord“ vorgeworfen, der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober dagegen völlig verschwiegen. Nun rief seine Teilnahme an einem „Palästina-Kongress“ die deutschen Behörden auf den Plan, die die Verbote verhängten, „um antisemitische und israelfeindliche Propaganda bei der Veranstaltung zu verhindern“, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete.

  Warum der "Lohengrin" der Staatsoper eine Hütteldorfer Szenerie hat

REUTERS/ALEXANDROS AVRAMIDISPerson 2: Annie Ernaux

Die Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux macht seit Jahren mit ihrer Israel-Kritik von sich reden. Das ist auch schon in Wien angekommen. „Ernaux ist nicht nur bekennende Unterstützerin der BDS-Bewegung. Sie hat sich auch 2019 an Aufrufen zum Boykott des in Tel Aviv ausgetragenen Eurovision Song Contest beteiligt, die Begnadigung Georges Abdallahs gefordert, der 1982 einen amerikanischen Offizier und einen israelischen Diplomaten getötet hat, und 2021 einen Brief unterstützt, der Israel der Apartheid bezichtigt“, hieß es in dem Resolutionsantrag, den alle Parteien einschließlich der SPÖ unterstützt haben. Dennoch ist auch sie im Rat der Republik.

APA/AFP/ALAIN JOCARDPerson 3: Milo Rau

Eingetütet wurde das alles vom neuen Intendanten der Wiener Festwochen, Milo Rau. Bei ihm fließen Kunst und Politik existenzell ineinander, wie er kürzlich in einem Buch festhielt. Entscheidend ist hier eine Sichtweise, die er mit weiten Teilen der Kulturbranche dort, wo sie derzeit avantgardistisch sein will, teilt: dass nämlich ein Unten gegen ein Oben immer moralisch im Recht ist. Das kann man umlegen auf den Kapitalismus (was Rau auch tut), das kann man aber auch umlegen auf alle Konflikte dieser Welt. Und in der Gaza/Israel-Gemengelage kommt man dann zu einem Ergebnis, dass man mit vielen, vielen Menschen auf der Welt teilt: Dass nämlich die, in dieser Sicht, unterdrückten Palästinenser gegen die, in dieser Sicht, unterdrückenden Israelis im Recht seien. Hier fängt dann die ganz große Problematik an, und die ist folgende:

Diskurswegweiser: Postkolonialismus und Antisemitismus

In der Kultur ist seit Jahren der Postkolonialismus en vogue. Der vertritt, dass nicht mehr …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.