Netflix-Hit „Rentier Baby“: Der Feind in meinem Pub

Kultur

Der Überraschungshit erzählt eine schwierige Story vom Menschen auf mitfühlende Weise.

Alles, das beobachtet wird, verändert sich genau dadurch, dass es eben beobachtet wird. Das ist eine immer noch erstaunliche Erkenntnis von den komplizierten Rändern der Physik.

Aber so kompliziert wie die kleinen Quantenteilchen ist der Mensch allemal: Wenn man weiß, dass einem jemand nachschaut, ist es manchmal schon schwierig, geradeaus zu gehen. Und wenn man gestalkt wird, also rund um die Uhr beobachtet, dann verlernt man zu leben.

Das führt der überraschende Netflix-Hit „Rentier Baby“ auf faszinierend unangenehme Weise vor. In der Miniserie tritt sich ein erfolgloser Comedian eine Stalkerin ein. Am Ende bleibt kein Stein in seinem Leben auf dem anderen. Aber auf durchaus andere Weise, als man denken sollte.

Dabei wollte Donny Dunn (gespielt von Richard Gadd) eigentlich nur nett sein: Er spendiert in dem Pub, in der er kellnert, einer offensichtlich aufgelösten Frau einen Tee. Damit beginnt ein Höllentrip, der umso beklemmender mitanzusehen ist, wenn man weiß, dass Gadd hier eigene Erfahrungen aufarbeitet.

Ed Miller/NetflixGnadenlos

Martha (Jessica Gunning) entpuppt sich als fanatische Stalkerin mit Vorgeschichte, die sich nun auf Donny fixiert: Sie bombardiert ihn mit Emails, verfolgt ihn zu seinen (katastrophal schiefgehenden) Auftritten, textet ihn gnadenlos bei täglichen Besuchen im Pub voll.

Die Rollen scheinen klar verteilt: Hier die psychisch Kranke, da der von dieser Terrorisierte. Doch die Serie, die ganz ohne Marketingkampagne zum Hit wurde und lange die Seher-Charts anführte, erzählt eigentlich etwas ganz anderes. Was man nämlich, wenn man sich nur genau genug beobachtet, wenn man von außen dazu gezwungen wird, in sich hineinzuschauen, so alles entdecken kann.

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Es ist nicht nur Schönes.

Die Aufmerksamkeit Marthas nämlich beginnt nach und nach, Donny zu schmeicheln, auch wenn er nach außen und vor sich selbst ein ehrlich leidendes Stalking-Opfer ist. Gadd spielt einen Menschen mit der Sehnsucht nach der großen Bühne, dem diese verwehrt bleibt; der aber auf der kleinsten möglichen Bühne, in einem zunehmend komplexer werdenden Kammerspiel zwischen sich und der Stalkerin, eine Dosis jener Aufmerksamkeit bekommt, die er sich wünscht.

Die Beziehung zwischen Martha und Donny wird auch deswegen nuancenreicher, weil Donny zeitgleich zum #MeToo-Fall wird: Ein Produzent verspricht, ihn groß herauszubringen; das endet in sexuellem Missbrauch im Drogenrausch. Und Donny lässt mehr über sich ergehen, als er selbst verstehen kann. 

Courtesy of Netflix/Ed Miller/Netflix

Dagegen wirkt die Maillawine Marthas fast versöhnlich – auch wenn diese ihr „Rentier Baby“, wie sie Donny nennt, emotional und auch physisch zunehmend okkupiert.

Das alles klingt furchtbar trist; es ist aber zugleich so skurril und menschlich erzählt, dass man mit (fast) allen Beteiligten mitfühlt. Absolut sehenswert.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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