Wenn die Steuerfahnder kommen: Jelinek-Bearbeitung in St. Pölten

Kultur

Von Susanne Zobl 

Am Ende thronen die Aasgeier in ihrem Nest. „Waren wir schon bei den Jelineks?“, fragt der eine.

Eine Szene wie aus einem bösen Märchen, das jedoch keines ist. Denn in „Angabe der Person“ schildert Elfriede Jelinek, was ihr selbst vor einigen Jahren widerfahren ist. Als sie sich in München bei ihrem Ehemann Stefan Hüngsberg, der 2022 verstarb, aufhielt, wurde sie von Steuerfahndern heimgesucht. 

Apollonia T. Bitzan / Apollonia T. Bitzan

Die Razzia inspirierte die Literaturnobelpreisträgerin zu einem furiosen Text über ihr Leben, ihre jüdischen Vorfahren, Naziverbrechen und veritable Finanzskandale. Jossi Wielers Inszenierung der Uraufführung am Deutschen Theater in Berlin war im Vorjahr bei den Wiener Festwochen zu sehen. Sara Ostertag übernahm die österreichische Erstaufführung am Landestheater Niederösterreich.

Ostertag generierte aus dem Sprachkunstwerk dialogartige Szenen für ein vierköpfiges Ensemble. Auf Nanna Neudecks fantasievoller Bühne bringt sie den gewichtigen Stoff zum Schweben. Im hell erleuchteten Saal hebt sie die Geschichte mit einer Leichtigkeit an, die in ihren Bann zieht. Figuren mit kunstvollen Rokoko-Perücken und raumgreifenden Reifröcken treten vor einen Vorhang, der eine idyllische Berglandschaft zeigt. Aus dem Saal melden sich die Fahnder zu Wort. Mit zynischer Schärfe beginnen sie die Befragung, betreten arrogant die Bühne, bedrängen ihr Opfer, schlagen mit Papierfächern auf den Stoff der Röcke, erzeugen ein rhythmisches Rauschen. Schritte im Marschrhythmus im Hintergrund evozieren Bilder von einem im Stechschritt schreitenden Heer.

Rockige Beats

Die Geräusche gehen über in rockige Beats. Der Vorhang hebt sich, ein rosa Tempel wird aufgeblasen. Szene für Szene erweitert sich die Bühne nach hinten. Ein Guckkasten zeigt eine geheimnisvolle Kammer mit Rittern und Mönchen. Eine schwarze Mauer wird niedergerissen bis man zum Vogelnest durchgedrungen ist. Jedes Bild ergibt Sinn. Eine Szene, in der massenhaft Bekleidung auf die Bühne geschüttet wird, erinnert an Jelinek starken Roman „Die Kinder der Toten“. Fabelhaft hebt Ostertag die Musikalität des Texts hervor. Trotz der Kürzungen ist das Wesentliche erhalten. Absurditäten werden aufs Tapet gebracht. So konnte Baldur von Schirachs Ehefrau das nach dem Krieg enteignete Haus zu einem Spottpreis zurückkaufen. Eine Familie, die einst Nazis mit Geld versorgte, unterstützt die heutigen Rechten.

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Großartiges leisten Laura Laufenberg, Julian Tzschentke, Bettina Kerl und Julia Kreusch, die in manchen Szenen wie Kunstfiguren agieren und den Text mit Schärfe und Deutlichkeit sprechen. Die beiden Lieder, die Mona Matbou Riahi vorträgt, leuchten aus dem dichten Geschehen wie Lichtstrahlen. Jubel.

KURIER-Wertung: ****1/2 von *****

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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