Experten diskutierten im Bundesrat, wie der demografische Wandel Pflege und Gesundheitssystem unter Druck setzt – und zeigten Lösungsmöglichkeiten auf.
Es sind Zahlen, die ahnen lassen, welch gewaltige Herausforderungen in den kommenden Jahrzehnten auf die Politik zukommen: Im Jahr 2080 wird der Anteil der Über-65-Jährigen an Österreichs Gesamtbevölkerung von derzeit 20 auf 30 Prozent gestiegen sein.
Der Anteil der Personen über 80 wird sich von sechs auf 13 Prozent mehr als verdoppeln. Im Gegenzug geht der Anteil der Menschen im Haupterwerbsalter (20 bis 64 Jahre) von 60 auf 50 Prozent zurück, zeigen die Prognosen von Statistik Austria.
Überalterung: Demografischer Wandel
„Der demografische Wandel ist vielleicht die Schicksalsfrage unserer Gesellschaft“, sagt Franz Ebner (ÖVP), Präsident des Bundesrats, wo am Mittwoch ein Expertenforum zum Thema stattfand.
Dies gilt vor allem für die Bereiche Gesundheit und Pflege. Bis 2050 seien 70.000 zusätzliche Pflegekräfte notwendig. Das seien ungefähr so viele Personen, wie 2021 insgesamt in der Langzeitpflege beschäftigt waren, rechnet Monika Riedel vom IHS vor.
Sie weist auf einen Aspekt hin, der gerne übersehen wird: „Laut Schätzungen wird aktuell rund 80 Prozent der Pflege von Angehörigen geleistet. Dieses Potenzial wird in Zukunft aber abnehmen.“ Verantwortlich seien gleich mehrere Faktoren: Geringere Kinderzahl, längere Erwerbszeiten, größere geografische Streuung der Familien und veränderte Haushaltstrukturen.
„Trilemma“ im Gesundheitssystem
Kaum rosiger sind die Aussichten im Gesundheitsbereich: Florian Bachner von der Gesundheit Österreich GmbH spricht gar von einem Trilemma – von drei Problemfeldern, die einander wechselseitig verstärken: Erstens die zunehmende Überalterung, die zu einer steigenden Nachfrage an Gesundheitsleistungen führt. Dieser Nachfrage stehen, so Bachner, zweitens immer weniger Erwerbstätige gegenüber, wodurch sich das Gesundheitspersonal verknappt. Die geringere Zahl an Erwerbstätigen reduziert drittens die Finanzierungsgrundlage des Gesundheitssystems, weil Steuer- und Betragseinnahmen sinken.
Doch was tun? Bachner schlägt ein Bündel von Maßnahmen vor. Begonnen mit solchen zur Erhöhung der Erwerbsquote bis hin zur Schließung von Versorgungslücken mit Fachkräften aus dem Ausland.
Wandel als Gewinn
Einen anderen Zugang verfolgt Franz Kolland, Gerontologe an der Karl-Landsteiner-Universität in Krems. „Man kann den demografischen Wandel auch als Gewinn betrachten. Ihm verdanken die Menschen ein Mehr an Lebensjahren, die für eine Vielzahl von Aktivitäten – von Kultur bis hin zu freiwilligem Engagement – genutzt werden können.“
Man dürfe alte Menschen nicht rein als pflegebedürftige Pensionsbezieher betrachten und Alter keineswegs allein über den Kalender definieren. Dies sei etwa während der Pandemie geschehen, als allen über 65 angeraten wurde, daheim zu bleiben. „Natürlich sind viele über 75 multimorbid, gleichzeitig sind zehn bis 15 Prozent der Über-90-Jährigen völlig gesund“, sagt Kolland.
Um dies möglichst lange zu bleiben, schlägt der Experte drei Maßnahmen vor:
Jeder einzelne, aber auch die Gesundheitspolitik sollte mehr Augenmerk auf die Gesundheitsvorsorge legen. Ebner etwa kann sich die Ausweitung von Modellen vorstellen, bei denen die regelmäßige Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen belohnt wird.
Kognitive Leistung fördern: Sie gehe laut Kolland im Alter nicht automatisch zurück, dies gelte lediglich für das Reaktionsvermögen. Wer nicht ständig vor dem TV-Gerät sitze, sondern seinen Intellekt herausfordere, beuge Demenz vor.
Soziale Beziehungen: Laut Kolland soll man sich im Alter jüngere Freunde suchen und sich ehrenamtlich engagieren. „Das sorgt für Sinnstiftung, Anerkennung und …read more
Source:: Kurier.at – Politik