Film über den Irrwitz der Bürokratie im Iran: Wo ist mein Hund?

Kultur

„Irdische Verse“ erzählt mit sarkastischem Humor aus dem Leben iranischer Bürger in Teheran, die sich mit der Bürokratie herumschlagen. Ein Gespräch mit dem Regisseur

Ein Regisseur sitzt vor einem Beamten der iranischen Zensurbehörde und sucht um Dreherlaubnis an. Er ist zuversichtlich: Sein Drehbuch enthält weder Gesellschaftskritik, noch Politik, noch Frauen. Stattdessen ist es vollkommen auf privates Drama zugeschnitten: Der Regisseur rechnet mit seinem Vater ab und lässt ihn sterben.

Aber genau das passt dem Beamten nicht: Den Vater sterben lassen? Wo kommen wir da hin? Das riecht nach westlicher Dominanz.

Am besten, der Regisseur streicht in seinem Drehbuch die Seiten 16 bis 28 – und das Problem ist gelöst.

Das Problem ist natürlich keineswegs gelöst, und die Debatte zieht sich endlos weiter. Am Ende reißt der Regisseur wutentbrannt die Seiten aus seinem Skript – und begräbt sein Filmprojekt. Genau so eine Situation habe er am eigenen Leib erlebt, sagt der iranisch-amerikanische Regisseur Alireza Khatami im KURIER-Gespräch:

Onur Coban

Alireza Khatami, Regisseur von „Irdische Verse“

„Jedes Wort ist wahr. Nur war ich nicht mutig genug, das Drehbuch zu zerreißen. Das haben wir übertrieben, um den Film lustiger zu machen.“

Lustig? Ja, lustig. Die beklemmende Situation zwischen iranischen Bürgern und Bürgerinnen und Vertretern staatlicher Institutionen mit sarkastischem Humor zu erzählen, schafft nicht jeder. Alireza Khatami und sein Regie-Partner Ali Asgari schon: In „Irdische Verse“ (ab Donnerstag im Kino) entwerfen sie neun Vignetten aus dem Alltagsleben in Teheran – und verzichten dabei auf den Gegenschuss. Soll heißen: Gefilmt wird eine Gesprächssituation, in der man immer nur eine Person sieht, die zu jemandem hinter der Kamera spricht. Wer das ist, sieht man nicht, sondern hört man nur: Es sind Vertreter und Vertreterinnen einer Behörde, Institution oder staatlichen Einrichtung, die jemand anderen zur Verantwortung ziehen.

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Was? Sie wollen Ihren Sohn David nennen? Warum? Das ist ein westlicher Name!

Sie tragen ein T-Shirt mit einer Micky Maus vorne drauf? Sie haben ein Tattoo am Körper? Sie besitzen einen Hund? Westlicher Einfluss!

Sind Sie gläubig? Tragen Sie beim Autofahren Schleier? Warum haben Sie als Frau eine Kurzhaarfrisur?

Die Befragten sind nicht auf den Mund gefallen und halten dagegen: Sie verteidigen ihre individuellen Freiheiten gewitzt und wortreich; und manchmal bringen sie damit auch die Autoritätspersonen in Verlegenheit.

Die Dialoge spiegeln das asymmetrische Machtverhältnis zwischen Bürger und Staat wider – und produzieren dabei unwillentlich auch immer wieder ein gewisses Maß an Absurdität, findet Khatami: „Wenn wir unseren Film unseren Freunden in der iranischen Community zeigen, wird oft sehr viel gelacht.“

Rede und Gegenrede

Die Regisseure ließen sich für ihre ungewöhnliche filmische Erzählform von einer iranischen Lyrik-Technik inspirieren, die als „Debatte“ übersetzt werden könnte und aus scharfzüngigen Dialogen, aus Rede und Gegenrede, besteht. Außerdem waren sie gezwungen, schnell und billig zu drehen: „Wir wollten Kino unter den einfachsten Bedingungen machen: Dazu benötigten wir nur eine Kamera, ein Stativ und jeweils einen Schauspieler vor und hinter der Kamera. Das war ausreichend, um effektvolle Geschichten zu erzählen. Dazu brauchen wir keine komplizierten Drohnenflüge.“

Filmladen/Neue Visionen Filmverleih

Tatowierung verboten? – „Irdische Verse“

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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