Wenn Stimmen zum Stratosphärensprung ansetzen

Kultur

Die zeitgenössische Oper, die auf Shakespeares „Der Sturm“ basiert, wurde in der Staatsoper erfolgreich wieder aufgenommen

von Helmut Christian Mayer

„The Tempest“ von Thomas Adès zählt sicher zu einer der erfolgreichsten „modernen“ Opern der letzten Jahre. Denn nicht nur die Uraufführung der zweiten Oper des britischen Komponisten 2004 in London Covent Garden war beim Publikum ein großer Erfolg, sondern auch die späteren Aufführungen in mehreren Städten. Jetzt wird die Oper, die 2015 an der Wiener Staatsoper schon gezeigt wurde, hier wieder aufgenommen.

Der Erfolg basiert auch an der detail- und ideenreichen Regie von Robert Lepage, der sich reichlich in der theatralischen Trickkiste bedient. So wird auf der Insel des Prospero die Mailänder Scala nachgestellt. Das Bühnenbild (Jasmine Catudal) zeigt sie in verschiedensten Perspektiven, wodurch die Ebenen verschwimmen: Alle Personen sind zugleich Opfer von Prosperos Zerstörungswut, aber auch Zuseher einer faszinierenden Theaterwelt. Was die Produktion außergewöhnlich werden lässt, sind die aufwändige Üppigkeit, die magischen Bilder mit fantasievollen Kostümen und die feine Sinnlichkeit.

Wiener Staatsoper / Michael PöhnExtreme Intervalle

Das Sängerensemble stellt Adès vor aberwitzige Aufgaben, sowohl was Rhythmik, aber auch die extreme Tessitura – den Stimmumfang – betrifft. Das Ensemble löst es mit bewunderwürdiger Souveränität: Eigentlich kann man es kaum glauben, dass man solche Höhen und solch extreme Intervalle, wie sie Adès für den Luftgeist Ariel erdacht hat, überhaupt bzw. sauber singen kann. Aber die junge Caroline Wettergreen ist nicht nur schwindelfrei, etwa am riesigen Luster hängend, sondern kann auch zwitschern und tirilieren wie ein Vogel und die stratosphärischen Koloraturkaskaden mit phänomenaler Bravour erklimmen. Adrian Eröd singt den Prospero mit eleganten und warmen Tönen und muss das Baritonregister auch völlig ausreizen. Frédéric Antoun gibt den wie ein borstiges Fantasietier ausgestatteten, intrigantischen Caliban, der mit seinem etwas kleinen Tenor auch in ungeahnte Höhen vorstoßen kann.

  Der Jubel wollte nicht enden: Meistersinger in der Tat

Reife Leistung

Als Tochter des Prospero Miranda ist Kate Lindsey zu erleben, die mit wunderbar sanften Bögen und feiner Phrasierung singt. Ihren Geliebten Ferdinand singt Hiroshi Amako mit schönem, lyrischem Tenor. Als König singt Toby Spence einen gefühlvollen Trauergesang. Den bösen Bruder von Prospero Antonio gibt Daniel Jenz sehr beeindruckend. Wolfgang Bankl ist ein stimmgewaltiger, gütiger Diener Gonzalo, Michael Arivony ein solider Sebastian, ebenso wie die Saufkumpanen Dan Paul Dumitrescu (Stefano) und James Laing (Trinculo). Der Chor der Wiener Staatsoper (Thomas Lang) singt sehr homogen.

Der geschickte Musikhandwerker Thomas Adés bedient sich bei der Instrumentierung in der gesamten Palette der Operngeschichte. Man erlebt Anlehnungen an barocke Formenwelten bis hin zu grellen Dissonanzen. Er mischt Farben und Stile nach Belieben bis zu schillernder Polystilistik. Wie schon bei anderen Aufführungen steht Adés selbst am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper, das dies alles mit Bravour, Sensibilität und großer Differenziertheit erklingen lassen. Großer Jubel!

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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