„Capri“ im Schauspielhaus: Liegestühle am Balkon oder doch Erholung am Meer

Kultur

Uraufführung von Julia Gschnitzers „Capri“ (Von Susanne Zobl).

Kritik. Als Stück über eine Mutter-Tochter-Beziehung, Einsamkeit, Alter und Fürsorge kündigt das Schauspielhaus Julia Gschnitzers Stück „Capri“, das es bei der Autorin in Auftrag gegeben hat, auf seiner Webseite an. Das klingt nach einem herkömmlichen Stoff. Was Gschnitzer aber daraus tatsächlich gemacht hat, geht weit über die viel diskutierten Themen hinaus. Sie lässt ihre Figuren vom Schreiben erzählen, konkret, wie es ist, über das Leben zu schreiben. Ausgangspunkt ist der Abgabetermin für ein Buch. Die Autorin kann ihn nicht einhalten. Sie ist erschöpft, denn sie hat es nie gelernt, sich zu erholen.

Urlaubsfantasie

Auch im Sommer nicht. Das war schon in ihrer Kindheit so. Dann taucht mitten in der Nacht dieses Kind in ihrer Küche auf. Wahnvorstellung? Der unerfüllte Kinderwunsch einer Enddreißigerin? Oder hat das Kind etwas mit dem Foto zu tun, das sie von ihrer Mutter gefunden hat?

Stets hatte diese behauptet, dass sie nie auf Urlaub war. Und dann das, ihre Mutter als Elfjährige am Meer, Sonne, Palmen, Strand und Möwen inklusive. Auf der Rückseite des Fotos ist „Capri 1968“ notiert. Also auf nach Hause. Last Exit das Gespräch mit der Mutter. Nur das kann für die Autorin die Lösung ihrer Blockade bringen. Noch besser als ein einfaches Gespräch: ein Urlaub auf Capri.

Regisseurin Valerie Voigt hat Gschnitzers fulminante Wortkaskaden auf vier Schauspielerinnen aufgeteilt. 

Marcella Ruiz Cruz

Die agieren auf einer schräg abschüssigen Bühne (Thomas Garvie), von der sie sich immer wieder wie von einem sanften Hang Richtung Publikum rollen. Ein kleiner halbrunder Pool leuchtet hellblau hervor.

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Die drei Schauspielerinnen (Iris Becher, Florentine Krafft, Sissi Reich) verkörpern zu dritt die Tochter, Ursula Reiter die Mutter.

Der Text besticht durch seine Ironie, etwa, wenn die Tochter der Mutter erklärt, was Empowerment bedeutet oder über „Karrierefeminismus und Kapitalisierung des eigenen Selbst“ nachdenkt. Oder wenn die Mutter die Tochter damit trösten will, dass sie es sich doch auch zu Hause am Balkon schön machen können. Denn „Liegestühle gibt’s im Angebot“.

Marcella Ruiz Cruz

Hilft nichts, die Tochter braucht die Inspiration, die erhofft sie sich von der Autofahrt nach Capri. Da hebt der Text in eine surreale Ebene ab. Mutter und Tochter fahren, aber sie kommen nicht weiter. Denn sie sind ihre eigenen Figuren und stecken in der Geschichte fest, weil die Autorin nicht weiter weiß. Ursula Reiter zeigt die Mutter mit einer gewissen gelassenen Nonchalance. Katharina Ernst ergänzt gelassen am Schlagzeug. Jubel.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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