„Elisabeth!“ im Burgtheater: Sisi, das Waschweib, ermächtigt sich

Kultur

So viel Sisi war wohl noch nie seit der Trilogie von Ernst Marischka. In den letzten Jahren gab es mehrere Serien, darunter eine von Netflix („Die Kaiserin“), und einen hochgelobten Film von Marie Kreutzer, in der sich Elisabeth über Konventionen hinwegsetzt („Corsage“). Es gab die desaströse Nummernrevue „Ach, Sisi“, einer der größten Flops im Volkstheater unter Direktor Kay Voges, es gab auch den Film „Sisi & ich“ von Frauke Finsterwalder, in dem die Kaiserin auf Korfu ein recht ausschweifendes Leben führt – weit entfernt von historischen Fakten.

Elisabeth ist eben längst zur Projektionsfläche geworden: Sie muss herhalten für gesellschaftspolitische Diskurse – etwa über Feminismus. Und sie kann sich, seit 127 Jahren tot, nicht mehr wehren: Sie, diese schillernde, widersprüchliche Frau, wird einfach schamlos missbraucht. Oder vor den Karren gespannt.

Zu Tode geritten ist der Gaul aber noch lange nicht: Bestsellerautorin Mareike Fallwickl schrieb, wie sie sagt, Stefanie Reinsperger ein Stück über Sisi „auf den Leib“ – und dieser Monolog erlebte am Freitag im Burgtheater in der Regie von Fritzi Wartenberg seine mit tosendem Applaus wie Standing Ovations quittierte Uraufführung. Man staunte ein wenig über die orkanartige Affirmation. Denn Fallwickl hatte keine Quellenforschung betrieben, sie griff bloß auf mehr oder weniger bekannte Fakten aus dem Leben der Kaiserin zurück. Aber sie versah diese mit nicht nur einem neuen Spin.

Der Femizid des Thronfolgers

Der eine hat Kronprinz Rudolf, dem Sohn von Elisabeth, zu tun. Dessen Vater, Kaiser Franz Joseph, soll ihn „das Krepierl“ genannt haben. Die Sisi auf der Bühne erzählt dies eher beiläufig, und später wiederholt sie – ihrem mächtigen Mann quasi zustimmend – die Bezeichnung. Denn sie attestiert einen Femizid an Mary Vetsera: „Er hat sie mitgenommen in den Tod, weil er zu feig war. Jedem Femizid liegt zugrunde, dass ein Mann glaubt, ein Recht zu haben auf die Frau.“ So hat man das noch nie gehört über die einst vertuschte „Tragödie von Mayerling“. Das sitzt.

  "Hat mich überrascht": Beliebte Nachrichtensendung bekommt neue Sprecherin

Mitunter kommt „Elisabeth!“ aber nicht über eine Lecture-Performance hinaus. Sargnagel arbeitet sich an der Figur, die sie verkörpert, regelrecht ab. Sie vollführt einen Seelenstriptease. Es dauert Eindreiviertelstunden, bis sie sich ihres grotesken Rokoko-Ungetüms von Kostümbildnerin Leonie Falke entledigt hat und im schwarzen Seidenunterkleid vor ihrem frontal angesprochenen, auch geduzten Publikum steht.

Die Zwangsverheiratung Sisis

Währenddessen werden, durchaus der Chronologie folgend, Schönheits- wie Schlankheitswahn und manch anderes abgehandelt, darunter der Montgomery Busboykott der Bürgerrechtsbewegung 1955 und der widerliche Fall Pelicot (ein Franzose bot seine betäubte Ehefrau ein Jahrzehnt lang zur Vergewaltigung an). Fazit: Sisi wurde als 16-Jährige zwangsverheiratet. Sie hatte als Gebärmaschine zu fungieren. Und ihre Selbstermächtigung im goldenen Käfig (das praktikable Bühnenbild von Jessica Rockstroh mit variablen Spiegelelementen und viel Goldfolie nutzt den güldenen Eisernen Vorhang) war nur möglich, weil der Kaiser diese gestattet hat.

Reinsperger spielt quasi um ihr Leben. Ihre Sisi ist eher Wiener Waschweib denn noble Dame, humorvoll, derb, zuckersüß. In ihr steckt eine riesengroße Wut: Wenn sie sich des Korsetts entledigt, gerät Reinsperger ganz schön ins Schnaufen. Aber sie ist eben – wie ihre Figur: die Beste. Unterstützt wird sie von Elena Ulrich (E-Gitarre) und Lilian Kaufmann …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 2 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.