KURIER Kunststoff: Das Volkstheater ist im falschen Film

Kultur

Kay Voges arbeitet sich an einem Theaterkritiker ab, als wäre das Volkstheater seine persönliche Spielwiese.

Der folgende Text ist der aktuelle Newsletter von KURIER-Kulturchef Georg Leyrer. Hier gehts zum Newsletter-Abo.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe, mit Israel und der Ukraine und dem ganzen anderen todtraurigen Zeug auf der Welt, schon mehr als genug von Bildern von Schusswaffen und dem, was die so anrichten. 

Nicht so, offensichtlich, der Chef des Wiener Volkstheaters. Kay Voges will es in seiner letzten Spielzeit „knallen lassen bis zur letzten Patrone“ und stellt diese Saison daher unter ein Western-Motto: Er ruft zum „Showdown“ auf, im Western ist das bekanntermaßen das letzte Schussgefecht, bei dem die Cowboys tot von den Pferden purzeln. Auf dem Cover des Spielzeitbuches wird man daher auch gleich von einem Cowboy (Christoph Schüchner) mit Colt ins Visier genommen.

Das erinnert mich an etwas, das mich immer wieder grämt: dass es nämlich keine wirklich treffende Übersetzung des englischen „tone deaf“ gibt. Das heißt nicht nur, dass man keine Tonhöhen erkennen kann. Sondern dass man kein Gespür, kein Gefühl für den größeren Kontext, für die Folgen eigener Aussagen, für die Art hat, wie etwas, das man sagt, tut oder zeigt, in den jeweiligen Umständen ankommt.

Bei mir kommen Waffen und Machogehabe und breitbeiniger Cowboygang jedenfalls im Moment sehr schlecht an. Aber das bin vielleicht nur ich.

Nordürftig verschleiert

Was über das persönliche Empfinden hinausgeht, ist aber der Kurzfilm, den Voges für die kommende Spielzeit drehen ließ. Da nimmt er nämlich Rache, und zwar nur aufs Notdürftigste satirisch verschleiert an einem Kollegen von mir. Und ich finde, das geht überhaupt nicht.

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Zu sehen ist ein Western-Säufer namens „Tom Trinkler“, der als allererstes einmal auf eine Schauspielerin schießt. Dann wird er, ganz offenbar ein Theaterbanause, der das, was Voges macht, nicht so super findet wie der Intendant selbst, „Ratte“ und „Bastard“ genannt, mit dem – aus Sicht Voges offenbar als Waffe gemeinten – Spielzeitprogramm gequält und am Schluss wird geschaut, ob er noch atmet.

Da sind so viele Grenzen überschritten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Die Arbeit von Theaterkritikern als Schussangriff auf Schauspieler zu framen alleine ist schon ungehörig, ja unverschämt genug – und faktischer Unsinn. Dass man mit einer hauchdünnen Schicht Satire überzogen glaubt, Beschimpfungen aussprechen zu können, ist das nächste. Dass das Volkstheater dem Chef so unkritisch folgt, dass niemand – Schauspieler, Geschäftsführung, Marketingabteilung, Presseabteilung – in einem  solchen langwierigen Prozess wie einem Filmdreh aufsteht und „Stopp“ ruft, ist ein Armutszeugnis für das Haus.

Dass das dann bei der – schütter besuchten – Spielzeitpressekonferenz in Anwesenheit des Kollegen auch noch feixend vorgespielt wird, ist eine Blamage. Das war auch die Reaktion des Theaters auf meine Beschwerde. „Wir nehmen Ihre Mail und Ihre Meinung bezüglich des Spielzeitvideos zur kommen Saison zur Kenntnis“, schrieb man mir zurück, und da fehlt nicht nur ein „den“, sondern viel, viel mehr.

Denn immerhin ist das Volkstheater keine private Spielwiese eines von den bösen, bösen Journalisten gekränkten Intendanten, sondern ein öffentlich gefördertes Haus, das hier ungerührt von den gesellschaftlichen Folgen der Fake-News-Debatte  journalistische Arbeit …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

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