Schimpftiraden und Spionage am Hof: „Maria Stuart“ im TAG

Kultur

Gernot Plass‘ Version von Schillers „Maria Stuart“ im Theater an der Gumpendorfer Straße.

Maria Stuart. jene schottische Königin, die 1587 wegen Hochverrats hingerichtet wurde, war zuletzt recht präsent auf den Theaterbühnen. Am Linzer Landestheater in einer Musicalversion, als Kušej-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen und am Burgtheater mit vielen nackten Männern.

Dass man sich an der Gumpendorfer Straße nun ebenfalls der Schillerschen Tragödie annimmt, dafür nannte TAG-Leiter Gernot Plass zuletzt auf Ö1 profane Gründe. Sein Text sei schon länger in der Schublade gelegen und als sich abgezeichnet habe, dass er sich nicht erneut um die Leitung bewerben werde, sei man übereingekommen: „Hauen wir’s raus“.

Was nun rausgehauen wurde, ist eine weitere Klassikerüberschreibung, mit denen sich das Haus in den vergangenen Jahren einen guten Namen gemacht hat.

Inhaltlich bleibt Plass nah am Schillerschen Plot – bis auf einen Epilog, der den Schluss noch dreht. Sprachlich wurde freilich einiges durcheinandergewirbelt. Kaum ein Monolog ist in voller Länge übriggeblieben, es geht in einem wilden Wort-Stakkato hin und her. Das hat eine eigentümliche Rhythmik, die zeitgemäßes Tempo entwickelt. Zeitgemäß sind auch die Fäkalausdrücke, nach dem 15. „Scheiße“ hört man auf zu zählen. Aber es wurden nicht bloß Verbalinjurien draufgepappt, so ersetzen etwa Metaphern aus der Fußballwelt  zum Teil Erwähnungen von kriegerischen Auseinandersetzungen. Am Ende wird Elisabeth sagen: „Ich liebe Fußball.“

Davor muss die englische Regentin alles einsetzen, um ihre Machtposition zu sichern. Maria Stuart wurde aufgrund angeblicher Attentatspläne gefangengenommen. Elisabeth zögert, den Hinrichtungsbefehl zu unterzeichnen. Zu groß ist die Furcht, sich der Nachwelt vor allem durch die Entscheidung, die ambitionierte Cousine zu töten, einzuschreiben. Es soll also raffinierter geschehen. Die Ränkespiele, die sich entwickeln, werden bei Plass zur Agentengeschichte. Die Männer am Hof wirken teils als Werkzeug (Leicester), teils entwickeln sie eigene verschwörerische Pläne (Burleigh). Die Mechanik des Klassikers setzt Plass gekonnt ins Werk.

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Schon Schiller hatte sich seine künstlerische Freiheit genommen, in dem er die beiden Königscousinen in Fotheringhay aufeinandertreffen lässt. Dieser Kulminationspunkt im dritten Akt, an dem es statt zur Versöhnung zum Streit kommt, gerät hier zur verbalen Schlammschlacht, wenn sich Elisabeth und Maria gegenseitig „Dorfmatratze“ oder „Scheißkuh“ schimpfen.

So deftig die Sprache, so zurückhaltend ist die Ausstattung. Ein schmaler, roter Bühnenblock, der gedreht und geschoben werden kann, dient als flexibler Hintergrund. Die Kostüme orientieren sich an Businessanzügen und dezenten Kleidern.

Aus dem ausgezeichnet eingestellten fünfköpfigen TAG-Ensemble, das durch drei Gastschauspieler verstärkt wird, ragen Elisabeth (kämpferisch: Michaela Kaspar) und Maria (exzentrisch bis entrückt: Lisa Schrammel) hervor. Wenngleich sich das rhythmische Hin und Her dazu führt, dass man sich an manchen Stellen des 135-minütigen Abends eine kurze Pause wünscht.

Wer immer Plass‘ sichere Pranke für die Erneuerung klassischer Texte ersetzen möchte, mit welchem Konzept auch immer: Die Bewerbungsfrist im Rahmen der Neuausschreibung ist vergangene Woche zu Ende gegangen.

 

KURIER-Wertung: ****

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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