Frankreich ist hochverschuldet. Französische Politiker warnen vor einem „Szenario wie in Griechenland“, sollte Premier Barnier an seinem Sparhaushalt scheitern. Ist die Angst berechtigt?
Die Hände verschränkt, in dunkelblauem Anzug und mit gleichmütiger Miene saß Michel Barnier diese Woche im Abendjournal des Senders TF1, während im TV darüber spekuliert wurde, ob er sich bald mit einem neuen Titel schmücken könne: jenem des kurzlebigsten Premierministers der Fünften Republik.
Seit Anfang September als Wunschlösung von Präsident Emmanuel Macron im Amt, steht ihm knapp drei Monate später seine bisher größte Herausforderung bevor: die Verabschiedung des Sparhaushalts 2025 für das hochverschuldete Frankreich.
Frankreichs Schuldenberg ist mit rund 3,2 Billionen Euro der höchste in der Euro-Zone. Je größer er wird, desto größer die Gefahr, dass Frankreich seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann.
Und damit zu einem Risiko für die gesamte EU wird.
Von Brüssel wurde Barniers Sparhaushalt bereits gebilligt, in Frankreich selbst gab es von Links und Rechts jedoch heftige Kritik: Der rechtsextreme Rassemblement National bezeichnet den Sanierungsplan als „ineffizient, ungerecht, brutal“; als „unverhältnismäßig“ stellt ihn das Linksbündnis Neue Volksfront dar.
Der Premier hält trotzdem daran fest – und will ihn aufgrund der fehlenden Mehrheit in der Nationalversammlung mithilfe des Artikels 49.3 im Alleingang an dieser vorbei verabschieden. „Wahrscheinlich, sicher“ sogar werde er darauf zurückgreifen, sagte Barnier im Fernsehen. Infolge müsste sich Barnier einem Misstrauensvotum stehen. Und könnte dadurch gestürzt werden – jedenfalls haben die Rechtspopulistin Marine Le Pen und die Fraktionsvorsitzende der linkspopulistischen „La France Insoumise“ gedroht, das Misstrauensvotum erstmals beidseitig zu unterstützen.
Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas, stünde dann ohne Regierung und ohne Haushalt da. Nicht nur das Brüsseler Polit-Magazin Politico warnte, dass Frankreich deswegen in eine „Krise nach griechischem Vorbild“ rutschen könnte – also vor einer ähnlichen Finanzkrise wie in Griechenland Anfang der 2010er-Jahren. „Wir laufen Gefahr, ein Szenario wie in Griechenland zu erleben“, sagte auch die Regierungssprecherin am Sonntag in Le Parisien.
Droht Europa eine neue Euro-Krise? Oder handelt es sich um ein rhetorisches Druckmittel, um vor allem Le Pens Rassemblement National von der Unterstützung des Misstrauensvotums abzuhalten?
Schuldenquote wie Athen
113 Prozent beträgt die Staatsschuldenquote – ähnlich hoch war sie in Griechenland vor der Finanzkrise. „Die Schulden sind sicher tragfähig, sofern die französische Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder in die Gänge kommt“, sagt der Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) zum KURIER. Ähnlichkeiten zur finanzpolitischen Lage Griechenlands Anfang der 2010er-Jahre sieht er nicht: „Frankreich hat sich gegenüber dem Ausland nicht annähernd so verschuldet wir Griechenland vor der Krise, und hat auch nicht seine Budget-Daten manipuliert.“
Doch Krisen können auch herbeigeredet werden: Derartige Vergleiche verunsichern vor allem Investoren französischer Staatsanleihen. Bei einem größeren Ausfallrisiko des Schuldners müssen an den Kapitalmärkten höhere Zinsen gezahlt werden; die Banken verlangen bereits ähnlich hohe Zinsen von Frankreich, wie sie für Griechenland gelten.
REUTERS / Stephanie Lecocq
Premierminister Michel Barnier steht vor seiner größten Herausforderung bisher.
Große Unsicherheit bei Investoren
Beispielhaft ist der Unterschied des Risikoaufschlags, den den man für den Kauf französischer Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundespapieren bezahlt. Bereits vor den ausgerufenen Parlamentswahlen im Sommer vergrößerte sich dieser, …read more
Source:: Kurier.at – Politik