Theateruraufführungen beim Steirischen Herbst: Sport und Musik

Kultur

Schauspiel in Graz mit Thomas Köck und Franz von Strolchen. Jan Philipp Gloger beglückte mit seinem Franz-Kafka-Abend

Der Steirische Herbst hat das Tagebuch als dramatischen Stoff entdeckt. Denn da fehlen gemeinhin Spannungsbögen oder unvermutete Wendungen. Und so kam es am Sonntag gleich zu zwei Uraufführungen hintereinander.

Im Theater am Lend realisierte Christian Winkler (als Autor) aka Franz von Strolchen (als Regisseur) „Empire: Rooting for the Anti-Hero“, danach wurde im Grazer Schauspielhaus – in Koproduktion mit dem Wiener – die „Chronik der laufenden Entgleisungen“ von Thomas Köck auf ein erträgliches Maß zusammengestutzt. Der große Unterschied zwischen den beiden Produktionen: Christian Winkler findet einen verblüffenden wie unterhaltsamen Zugang zu einem schwierigen Thema (Kolonialismus).

Herrenmenschen

Die Basis bildet eine wahre Begebenheit: Der Grazer Sportklub Straßenbahn, 1923 gegründet und zwischenzeitlich recht erfolgreich, absolvierte 1934 – von Mitte Mai bis Anfang September – eine Tournee durch Indonesien. Erzählt wird das Abenteuer aus der Sicht von Suwandi, der 1929 nach Graz gekommen war und als „exotische Attraktion“ im Kastner & Öhler den Liftboy geben durfte.

Er wurde für die „Monsterreise“ der „Möchtegern“-Herrenmenschen als Dolmetsch angeheuert – und kehrt nun zurück nach Batavia (Jakarta). In seinem Reisetagebuch kommentiert er das überhebliche, selbstgefällige Verhalten der Fußballer, die (nahezu) jedes Spiel gewinnen, weil die technisch versierteren Indonesier gastfreundlich oder devot sind.

Aus diesem Heft liest sein Urenkel Marten vor – auf Indonesisch. Es gibt daher deutsche und englische Untertitel. Aber das ist nur eine Finte: Marten Schmidt spricht astreines Steirisch. Er projiziert Bilder aus dem Fotoalbum, er fällt immer wieder spitzbübisch aus seiner Rolle, um Bezüge herzustellen oder das große Ganze zu erläutern.

  Wahre Freundschaft soll (nicht) wanken

Und man weiß bis zum Schluss nicht, wie viele der glaubwürdig beschriebenen Episoden mit steirischen Bankiers und Tabakplantagenbesitzern erfunden sind. Begleitet wird Marten bei seinen Volten von einem prächtigen Gamelan-Orchester (der Grazer Kunstuni) mit eigenartigen Metallophonen, Gongs und Trommeln: Die am Boden sitzenden Musikerinnen in Mannschaftsstärke – sie tragen schwarze Leibchen mit dem Logo des Grazer SC Straßenbahn – spielen traditionelle Weisen, Kompositionen von Anna Anderluh und Schlagermusik aus den 30er-Jahren. Diese Fusion, um Beats ergänzt, fasziniert.

Lex Karelly

Ein plattes Sportstück: „Chronik der laufenden Entgleisungen“

Sportlich eingekleidet ist auch das sechsköpfige Ensemble im Schauspielhaus – in rote Adidas-Trainingsanzüge mit weißen Streifen. Schließlich geht es um Österreich: Thomas Köck hat ein Jahr lang von Sommerloch zu Sommerloch in Hinblick auf die Wahl am 29. 9. die politischen Begebenheiten (auch in Nahost) kommentiert. Diese „Intervention“ wirkt aber als Österreich-Beschimpfung, wie Anne-Catherine Simon in der Presse treffend formulierte, „epigonal, als Satire zahnlos, als Essay hochtrabend pseudowissenschaftlich“.

Dass aus den mitunter sehr tendenziösen Betrachtungen samt Datumsangaben (368 Seiten) doch ein passabler Theaterabend geworden ist, hat Köck, der einen auf Elfriede Jelinek macht, der Dramaturgie zu verdanken: Male Günther und Martina Grohmann kübelten den Großteil des Textes. Übrig blieb ein Ereignis- und Namedropping.

Die knapp zweistündige Turnstunde beginnt, wie das Buch, mit dem SPÖ-Verzähl-Malheur im Juni 2023, und dann werden im Stakkato die Reizwörter Udo L., Herbert, das Normale, Benko und Glock, Haider, Horten und der Hausverstand, das Lueger-Denkmal, der Gender-Erlass u. s. w. abgearbeitet.

Betroffenheitsgenerator

Doch bereits nach einem halben Jahr, mit Martin …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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