24-Stunden-Theater „Second Woman“: Täglich grüßt die Nudelbox

Kultur
"The Second Woman" bei den Wiener Festwochen

Beim Eintreten sieht man als erstes eine Frau, die auf dem Boden kniet und etwas aufsammelt. Ein Überbleibsel der letzten Szene. Man weiß: In den 100 Durchläufen der immergleichen Beziehungsminiatur innerhalb von 24 Stunden geht es um eine Trennung. Kurz erschrickt man: Ist diese vorherige Szene bei „The Second Woman“ bei den Wiener Festwochen derart eskaliert, dass hier Gläser flogen, Scherben zurückblieben? Muss man sich um Pia Hierzegger sorgen?

Ein paar weitere Runden der immer gleichen Konfrontation später weiß man: Es waren nur Nudeln am Boden. Aber die sind wichtig.„The Second Woman“, das international viel gespielte 24-Stunden-Stück von Nat Randall und Anna Breckon, lebt von Wiederholung und Erschöpfung. Von 18 Uhr am Mittwoch bis 18 Uhr am Donnerstag spielte Pia Hierzegger eine Frau – blonde Perücke, rotes Kleid, sie heißt Virgina, es gibt allerlei Filmreferenzen -, die mit wechselnden Partnern in einem Glaskobel samt Videoleinwand die immer gleiche Abschiedsminiatur erlebt: Ihr Gegenüber tritt ein, entschuldigt sich für einen vorangegangenen Streit. Sie wirft ein paar der Beziehungsfangfragen hin, bei denen man nicht gewinnen kann: Wie fühlst du dich? Was denkst du?Nurith Wagner StraussAus den Reaktionen der (zumeist Laien-)Darsteller, die Hierzegger gegenüber sitzen, und der Dauer soll sich dann der Sog des Ganzen ergeben. Das Paar trinkt Whiskey, jeder Eintretende bringt zwei Asia-Nudelboxen mit – übrigens ohne Sauce und ohne sonstwas, nackerte Nudeln, und allein dafür muss man sich, klar, trennen. Hierzegger sagt an der immer gleichen Stelle: Ich liebe dich, und egal, was das Gegenüber antwortet, er kriegt die Nudeln drübergeworfen. Dann wird zur 70er-Jahre Nummer „Taste of Love“ der Band Aura mehr oder weniger lang getanzt, die Frau sagt letztlich, es ist besser, wenn du gehst, hält 50 Euro hin. Abgang. Hierzegger sammelt die Nudeln auf, und es geht von vorne los.Das ist natürlich allein von der Ausdauer her ein beeindruckendes Projekt. Am Auftakttag gegen 22 Uhr ist viel Publikum da und viel Energie auf der Bühne. Tags darauf gegen 14.30 vermeint man ein leichtes Augenzucken bei Hierzegger wahrzunehmen – aber sie steht noch. Lacht herzhaft, als bei einem der Darsteller das als Lob gemeinte „vielschichtig“ als „vierschichtig“ daherkommt – und ausgerechnet der Mann sagt, er ist müde und will schlafen. Eine allein körperlich erstaunliche Leistung.„The Second Woman“ ist auch ein höchst individuelles Erleben – man konnte zwischen jeder der Szenen eintreten und bleiben, so lang man will. In den Szenen, die ihr Rezensent gesehen hat, war „The Second Woman“ eher ein nach Körperpointen und ironischer Mimikbrechung schielendes „Täglich grüßt das Murmeltier“ als der fragile, intime, auch traurige Abend, der das Ganze laut internationalen Rezensionen sein kann. Über Beziehungen lernt man nichts, vielleicht aber über die Unbeholfenheit, in der sich Paare im Aneinanderscheitern verfangen. „Kein Applaus zwischen den Szenen“, steht an der Tür in die Halle E im Museumsquartier. Aber nicht nur wenn der Nino aus Wien – einer der bekannten Mitwirkenden – am Schluss statt einem emotionalen Abschiedssatz (oft lautete der „ich liebe dich“) sagte, „Ruf‘ ma uns zusammen“, herrscht applaudierende Heiterkeit im Publikum. Insbesondere bei der Tanzszene wird jede …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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