Biennale Venedig: Die lange Checkliste des Andersseins

Kultur
Michael Huber

Über den Kamm geschoren

Es erweist allerdings den Fremden keinen Gefallen, wenn man sie über einen Kamm schert – und Pedrosa gibt in seinen Raumarrangements so gut wie keine Anhaltspunkte, was die Arten des Andersseins verbindet oder auch trennt. So ist der Niederösterreicher Leopold Strobl, dessen kleinformatige Überzeichnungen von Zeitungsbildern wunderbar verrätselte Landschaftsansichten ergeben, mit großformatigen Gemälden der US-amerikanischen, den Cherokee angehörigen Malerin Kay Walking Stick und Wüstenansichten des Libanesen Aref El Rayess konfrontiert. Alles Landschaftsbilder, ja – doch die Zusammenstellung erhellt darüber hinaus nichts. 

Michael Huber

Alle anderen Anderen

Gewisse Achsen des Andersseins lassen sich in Pedrosas Kosmos wohl bald ausmachen: Sehr dominant ist die Ästhetik von Indigenen – als sichtbarstes Zeichen wurde das Eingangsportal des Zentralpavillons vom MAKHU-Kollektiv, einer Gruppe aus dem Amazonasgebiet, bunt ornamentiert. Stark präsent sind auch Persönlichkeiten, die sich unter dem Begriff „Queer“ subsumieren lassen, also von der heterosexuellen Norm oder jener der Binarität der Geschlechter abweichen. 

Und schließlich sind da noch alle anderen Anderen – eben Autodidakten wie Strobl, der aus dem Umfeld der Gugginger Künstler kommt. Oder die „wiederentdeckte“, in Bologna lebende Österreicherin Greta Schödl, die aus der Wiederholung von Schriftzeichen völlig eigenständige Bildformen schafft – und sich damit durchaus etabliert hat, nur eben nicht in Österreich oder im Blickfeld von Menschen, die globale Kunstevents gestalten. 

„Überall Fremde“ heißt die Hauptausstellung der Venedig-Biennale. Sie tut weder den Fremden noch der Kunstwelt einen Gefallen.

„Jeder Mensch ist ein Ausländer – fast überall“: Spätestens seit den 1990er-Jahren behauptet sich dieser Spruch auf T-Shirts als Statement gegen Xenophobie und für die Solidarität mit Geflüchteten – auch wenn die meisten Träger und Trägerinnen die Erfahrung des Fremdseins selbst gar nie gemacht haben. 

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Auf der Biennale Venedig hat der Chefkurator Adriano Pedrosa, ein Brasilianer, nun ein ähnliches Motto ausgegeben: „Stranieri Ovunque“, zu deutsch etwa „Fremde überall“, ist das Leitmotiv der so genannten „internationalen Ausstellung“, die traditionell den zentralen Pavillon der Giardini sowie die lange Saalflucht des Arsenale befüllt und von der globalen Kunstwelt als Statement zur Gegenwartskunst – oder zur Gegenwart schlechthin – gelesen wird. 

Allein: Die Schau fühlt sich über weite Strecken nicht nach Gegenwart an. 

Schon im Vorfeld war angemerkt worden, dass 55 Prozent der Künstler in Adriano Pedrosas Ausstellung nicht mehr am Leben sind – der höchste Toten-Anteil der bisherigen Biennalegeschichte.

Die Idee, die Gegenwart auch mit einem Blick in der Vergangenheit zu verbinden, hatten freilich auch schon andere Biennale-Kuratoren, nur bringt bei Pedrosa die Betonung des Vergangenen keinen Erkenntniswert hervor: Ein Selbstporträt des Ägypters Ahmed Morsi (1970), eine abstrakte Komposition der Brasilianerin Judith Lauand (1954) oder ein an Picassos „Guernica“ erinnerndes Motiv der aus Mosambik gebürtigen Bertina Lopes (1970) sieht im Grunde aus wie Malerei, die man in den angegebenen Entstehungszeiträumen vermuten würde. Dass sie 2024 auf das Biennale-Podest gehoben wird, ist eben aus der Biografie der Künstlerinnen begründet – sowie eben aus dem Umstand, dass sie im einen oder anderen Kontext „Fremde “ waren. 

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Michael HuberÜber den Kamm geschoren

Es erweist allerdings den Fremden keinen Gefallen, wenn man sie über einen Kamm schert – und Pedrosa gibt in seinen Raumarrangements so gut wie keine Anhaltspunkte, was die Arten des Andersseins verbindet oder auch trennt. So ist der Niederösterreicher Leopold Strobl, dessen kleinformatige Überzeichnungen von Zeitungsbildern wunderbar verrätselte Landschaftsansichten ergeben, mit großformatigen Gemälden der US-amerikanischen, den Cherokee angehörigen Malerin Kay Walking Stick und Wüstenansichten des Libanesen Aref El Rayess konfrontiert. Alles Landschaftsbilder, ja – doch die Zusammenstellung erhellt darüber hinaus nichts. 

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Gewisse Achsen des Andersseins lassen sich in Pedrosas Kosmos wohl bald ausmachen: Sehr dominant ist die Ästhetik von Indigenen – als sichtbarstes Zeichen wurde das Eingangsportal des Zentralpavillons vom MAKHU-Kollektiv, einer Gruppe aus dem Amazonasgebiet, bunt ornamentiert. Stark präsent sind auch Persönlichkeiten, die sich unter dem Begriff „Queer“ subsumieren lassen, also von der heterosexuellen Norm oder jener der Binarität der Geschlechter abweichen. 

Und schließlich sind da noch alle anderen Anderen – eben Autodidakten wie Strobl, der aus dem Umfeld der Gugginger Künstler kommt. Oder die „wiederentdeckte“, in Bologna lebende Österreicherin Greta Schödl, die aus der Wiederholung von Schriftzeichen völlig eigenständige Bildformen schafft – und sich damit durchaus etabliert hat, nur eben nicht in Österreich oder im Blickfeld von Menschen, die globale Kunstevents gestalten. 

 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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