Retten Exzentriker die Welt – oder greifen sie nach der Weltherrschaft?

Kultur

Die Kunstwelt feiert das Überschwängliche und sieht darin widerständiges Potenzial. Doch auch Trump und Musk werden „exzentrisch“ genannt.

Ein ausgestopftes Krokodil hängt senkrecht von der Wand, daneben tanzt ein Eisbär in pinkem Federkostüm. Eine kitschige Figur von Jeff Koons ist nahe daran postiert.

Unter dem Motto „Eccentric“ zeigt die Pinakothek der Moderne in München derzeit eine große Gruppenausstellung, die ziemlich alles zusammenbringt, was in der zeitgenössischen Kunst bunt, schrill und schräg ist – verankert mit einigen historischen Referenzen, etwa den Maskeraden des belgischen Malers James Ensor (1860–1949).

Die Schau will allerdings mehr sein als ein bloßer Faschingsumzug der Kunstgeschichte: Eine „Ästhetik der Freiheit“ zeige sich im Exzentrischen, heißt es in den Wand- und Katalogtexten; Exzentrik sei eine intellektuelle Haltung, die „sich Ideologien jeglicher Art verweigert“ und „für die Freiheit der Demokratie und des Humanismus eintritt“.

Dandys vs. Despoten

Doch liegt in dieser Idee nicht auch eine gehörige Portion Wunschdenken? Spätestens seit der Bewohner des goldbeschlagenen Trump-Towers und der opulenten Luxusresidenz Mar-a-Lago ins Weiße Haus eingezogen ist und dort dem Querdenker Elon Musk (und seinem Sohn mit dem X-zentrischen Namen „X Æ“) einen Sonderplatz eingeräumt hat, ist offensichtlich, dass sich etwas im Verhältnis von Zentrum und Exzentrik, von Ideologie und Freiheit verschoben hat.

APA/Getty Images via AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Eva Karcher, die Kuratorin der Münchner Schau, widerspricht der Zuschreibung, Musk und Trump seien „Exzentriker“, allerdings vehement: „Exzentriker wollen ihre Freiräume erforschen und finden, ohne sie anderen aufzuoktroyieren“, sagt sie. „Autokraten dagegen wollen immer nur Macht – eine Macht, die mit Feindbildern operiert und deren Zentrum stets sie selbst sind.“

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Schräg vs. Angepasst

Das Ausgefallene und Schräge findet sich dennoch oft in einem komplexeren Verhältnis zu Macht und Geld, als es die schlichte Opposition einer „Ästhetik der Freiheit“ zu einer der Ideologien nahe legt. Man mag heute wieder an die höfische Kultur am Vorabend der Französischen Revolution denken, in der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. und dessen Nachfolger den Adel um sich scharten – wobei Feste auf opulenten Schlossanlagen die Edelleute auch auf Linie halten sollten.

Der in dieser Zeit entwickelte Rokoko-Stil, mit seinen geschwungenen Formen und dem üppigen Dekor, hinterließ Spuren im Design von Despotenvillen – doch er wurde auch von Dandys und Exoten entdeckt, die sich in einer flamboyanten Gegenwelt einrichteten.

Seit einiger Zeit spricht man in der Kunst- und Designwelt von einem Rokoko-Revival: Die luftige Malerei von Künstlerinnen wie Flora Yukhnovich gilt als neues heißes Ding, man interessiert sich für Figuren wie Madame Pompadour oder Marie Antoinette. Schmuck und Mode aus deren einstigem Besitz erzielen am Auktionsmarkt Höchstpreise, aktuell stehen bei Christie’s mehrere KI-generierte Porträts der Königin zur Auktion: Hinter den Bildern steht Grimes, die Ex-Partnerin von Elon Musk und Mutter von X Æ.

Christie’sÜbermaß vs. Ebenmaß

Es ist die Übersteigerung der Formen, die Abweichung vom Balancierten und Ebenmäßigen, die ästhetisch eine Brücke vom Rokoko zur Exzentrik der Gegenwart baut.

Der Designer Dagobert Peche (1887–1923), dessen Werk noch bis 11. 5. im Zentrum einer fulminanten Schau in Wiener MAK steht, stand mitten auf dieser Brücke: Als Gestalter der Wiener Werkstätte und als Chef von deren Zürcher Niederlassung schuf er eine explodierende Welt der Formen …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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