Virtuoses philharmonisches Abbild der Menschheitsgeschichte

Kultur

Wie man in einem Konzert eine Spanne der Menschheitsgeschichte abbilden kann, war in der Soiree der Wiener Philharmoniker mit Thomas Adés am Pult im Musikverein zu erleben. Ovids Zitat „Die Zeiten ändern sich, und wir uns in ihnen“ mit dem Zusatz des walisischen Autors und Shakespeare-Zeitgenossen John Owen, dass mit den Zeiten der Mensch schlechter werde, war Programm. 

Dieser stand auf dem Umschlag von Haydns Symphonie Nr. 64 in A-Dur, Hob. 1:64. Die gab den verstörenden Auftakt. Adés demonstrierte in jeder fein ziselierten Phase, wie aufregend Haydn klingen kann. Schärfste Akzente, ein Vorwärtsdrängen, philharmonische Klangkultur vom Besten. Eine Offenbarung, wie er die Exzentrik im Largo herausarbeitete und mit Rasanz in die Zielgerade steuerte. Der britische Komponist und die „Wiener“ agierten in harmonischer Einheit. 

Ein Kraftakt, eine Herausforderung für den Solisten ist sein für Kirill Gerstein komponiertes Klavierkonzert. Jetzt war Igor Levit sein Solist. Phänomenal stellte er sich den gigantischen Anforderung, generierte coole jazzige Passagen, ließ seine Finger über die Tasten akrobatisch turnen, faszinierte mit heller Transparenz. In manchen Momenten klangen die Klangfluten, als würde Janacek auf Gershwin treffen. Atemberaubend, die in sich gekehrten Solo-Passagen, virtuose Läufe, Triller und Bizarrerien. Das jubelnde Publikum beschenkte Levit mit Schubert. 

Eine Hommage von György Kurtág, die „Petite musique solennelle“, an den Dirigenten und Komponisten Pierre Boulez, der im März 100 geworden wäre, eröffnete den zweiten Teil. Getragene fanfarenartige Klänge, Sphärenmusik gingen Boulezs „Messagesquisse“ voraus. Cellist Tamás Varga brillierte als Solist mit sechs Kollegen aus seiner Truppe. Atemberaubende Variationen wie in einer Endlosschleife zogen in ihren Bann. Mit Leoš Janáčeks Rhapsodie über den mörderischen „Taras Bulba“ riss Adés gigantische musikalische Abgründe auf. Besonders hervorzuheben, Manfred Honecks virtuoses Konzertmeister-Solo und das Englischhorn. Jubel für diesen denkwürdige Konzert.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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