Großbritannien überlegt chemische Kastration für Sexualstraftäter

Politik
Labour Party Annual Conference in Liverpool

Die britischen Gefängnisse platzen aus allen Nähten. Vergangenen Monat waren von rund 100.000 Gefängniszellen lediglich 961 noch nicht belegt – und das, obwohl im Herbst 3.000 Häftlinge frühzeitig entlassen wurden. Um die Situation weiter zu entschärfen, könnten neuerlich Tausende Straftäter vorzeitig freikommen – unter anderem mit einer ungewöhnlichen Maßnahme: Die Labour-Justizministerin Shabana Mahmood erwägt für England und Wales eine obligatorische chemische Kastration für besonders schwere Sexualstraftäter. 

Der Vorschlag ist eine von 48 Maßnahmen, die Mahmood von einem unabhängigen Bericht des früheren Justizministers David Gauke unterbreitet wurden. Manches  – etwa, dass selbst gefährlichste Straftäter durch den Erwerb von „Credits“ früher Bewährung beantragen dürften – soll abgelehnt worden sein. 

Andere hingegen – wie die Möglichkeit, dass Personen, die schwere Sexual- und Gewaltverbrechen begangen haben, nach der Hälfte ihrer Strafe in die Gesellschaft entlassen werden könnten – dürften angenommen werden. 

Derzeit bereits freiwillig

Zudem empfahl Gauke die Fortsetzung eines Pilotprojekts im Südwesten Englands, bei dem freiwillig libido-senkende Medikamente eingesetzt werden. Mahmood will diese Maßnahme wohl verpflichtend einführen. 

REUTERS/Phil Noble

Justizministerin Mahmood

Die Einführung soll in 20 Gefängnissen in England erfolgen. „Natürlich“, sagte Mahmood, „ist es von entscheidender Bedeutung, dass dieser Ansatz neben psychologischen Interventionen verfolgt wird, die auf andere Ursachen von Straftaten abzielen, wie etwa die Behauptung von Macht und Kontrolle.“

Libido senken, sexuelle Gedanken einschränken

Bei chemischer Kastration werden Medikamente verabreicht, die die körpereigene Produktion sowie die Wirkung von Testosteron (jenem Hormon, das bei Männern in erster Linie für den Sexualtrieb und die sexuelle Erregung verantwortlich ist) unterbrechen. Konkret kommen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die invasive sexuelle Gedanken einschränken, und Anti-Androgene, die die Testosteronproduktion verringern und die Libido senken, zum Einsatz. Vereinzelte Studien belegen, dass der Rückfallrate nach der Medikamenteneinnahme drastisch reduziert werden konnte.  

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Das Thema ist brisant. Rund ein Fünftel aller Haftstrafen im Vereinigten Königreich werden derzeit wegen Sexualdelikten verhängt. Vergangenes Jahr wurden 205.465 Sexualstraftaten in England und Wales bei der Polizei gemeldet. 

Ethisches Dilemma

Experten warnen jedoch vor der ethischen Problematik: „Das Problem bei der obligatorischen Verschreibung von Medikamenten“, meinte Don Grubin, Professor für forensische Psychiatrie, im Guardian, „ist, dass die Aufgabe des Arztes darin besteht, Patienten mit ihrer Zustimmung zu behandeln, nicht ohne sie – vor allem, wenn die Medikamente erhebliche Nebenwirkungen haben können.“ Sexualstraftäter seien nicht geisteskrank und somit in der Lage, Entscheidungen zu treffen. 

Großbritannien wäre aber nicht das erste Land mit einer solchen. Sowohl Polen, als auch Moldawien und Südkorea führten in den 2010er- Jahren Gesetze zur verpflichtenden chemischen Kastration ein – in Fällen, in denen Personen Kinder unter 15 (Polen, Moldawien) bzw. 16 Jahren (Südkorea) sexuell missbraucht hatten. 

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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