Die Möglichkeit, groß zu denken: Belvedere 21 zeigt „Visionäre Räume“

Kultur

Friedrich Kiesler und Walter Pichler legten neue Maßstäbe an die Vorstellungskraft an. Eine Schau klopft ihre Werke auf Gemeinsamkeiten ab

Wenn sich dereinst ein neues Publikum umzuschauen beginnt, was Österreich jenseits der Achse Mozart-Beethoven-Klimt-Schiele noch so an Kultur hervorgebracht hat, wird es vielleicht bei Werken von Walter Pichler landen. Vielleicht wird es dabei auch die Fähigkeit, im Kleinen groß zu denken, als Qualität eines ganz besonderen Kunstverständnisses erkennen, für das Pichler beispielhaft steht.

In einer Ausstellung im Belvedere 21, die man im Sinne der Grundbildung gesehen haben sollte, sind von Pichler auf kleinen Blättern gezeichnete Szenarien mit Objekten in einem Raum zu sehen. Oder auf Sockeln platzierte Objekte wie jenes, das ein wenig an Darth Vaders Helm aus „Star Wars“ erinnert.

Elfi Tripamer/Nachlass Walter PichlerPotenzial

Spektakulär ist nicht das Format dieser Werke (das war bei Schieles Aquarellen auch nie der Fall), sondern das Potenzial, das in ihnen mitgedacht ist: Denn was Pichler (1936–2012) als Zeichnung oder Kleinplastik festhielt, war als „Unterirdisches Gebäude mit ausfahrbarem Kern“ angelegt, als „Stadt mit Klimahülle“ oder als „Sakrales Gebäude“.

Kunst diente Pichler als Möglichkeit, sich Räume – und den Platz des Menschen darin – in einer neuen Form vorzustellen, und sei es nur als Behauptung. Denn wenngleich sich Pichler im burgenländischen St. Martin einen eigenen Kosmos schuf, stellt das Gedachte das Gebaute doch in den Schatten.

In der Ausdehnung der Ideen – und beim schmalen Oeuvre realisierter Projekte – traf sich Pichler mit Friedrich Kiesler, jenem Architekten, Bühnenbildner und Maler, der 1890 geboren wurde und nach Erfolgen wie der „Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik“ in Wien anno 1926 nach New York übersiedelte, wo er 1965 starb.

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Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung

In New York traf Pichler 1963 einmal mit Kiesler zusammen – doch es existieren keine Aufzeichnungen darüber, wie das Treffen ablief.

Begegnung

Die Schau im Belvedere 21 nimmt die Anekdote als Sprungbrett, um das Werk der beiden auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten abzuklopfen. Den Rahmen dafür bildet eine Ausstellungsarchitektur der Künstlerin Sonia Leimer, die mit einer geschwungenen Stellwand eine Raumteilung und Zonen für die Konzentration schafft.

Werner Kaligofsky, 1998 / Bildrecht, Wien

Der benutzbare, dem „Design“ zuordenbare Teil von Kieslers und Pichlers Werk bildet dabei ein Ende des Spektrums: Pichlers „Galaxy Chair“ (1966) ist heute ein Sixties-Designklassiker, schon der Name platziert ihn aber im All. „Galaxien“ nannte Kiesler auch Raumgefüge ohne Anfang und Ende, in denen „praktische Skulpturen“ herumflottierten, wie er im Magazin LIFE 1952 erklärte: Zwischen Betrachtung und Benutzung der Dinge sollte bei ihm nicht unterschieden werden.

Das Element des Sakralen, das sich bei Kiesler wie bei Pichler findet, steht daher dem Design auch nur scheinbar entgegen. Mit einer Stele, „Totem for All Religions“ genannt, oder einem zuerst mit Plastillin auf einem Jausenbrettl ausgeführten, später in Bronze gegossenen Modell für eine „Meditationsgrotte“ schien Kiesler weniger an Glaubensrichtungen zu denken als an die Frage, was einem Ort Würde oder Stille verleiht.

Pichler suchte und fand solche sakrale Erhöhung oft in streng symmetrischen Arrangements wie der „Alten Figur“, die er für eine Foto auf einer Matratze neben seinem Bett platzierte – auch in ärmlichen Verhältnissen entfaltete das Ding seine Kraft.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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