Filmkritik zu „Das Zimmer der Wunder“: Die Wunschliste des Sohnes

Kultur

Eine Mutter findet die Wunschliste ihres komatösen Sohnes und geht auf Selbsterfahrungstrip

Von Gabriele Flossmann

2018 sorgte der französische Schriftsteller Julien Sandrel auf der Frankfurter Buchmesse für eine kleine Sensation. Sein Debütroman „Das Zimmer der Wunder„ („La Chambre des Merveilles“) wurde auf Anhieb zum Bestseller. Fast eine halbe Million Exemplare des Romans wurde weltweit verkauft. Übersetzt in 26 Sprachen. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass die berührende Mutter-Sohn-Erzählung auch ins Kino kommt.

Thelma ist 40, alleinerziehend und eine Powerfrau: Tagsüber arbeitet sie in einer großen Lagerhalle, abends bildet sie sich in Fernkursen weiter, weil sie von einem besseren Job träumt. Sie ist sich für keine noch so schwere Arbeit zu schade, denn sie will ihrem Sohn Louis ein besseres Leben ermöglichen, als sie es je hatte. Als Louis eines Tages mit seinem Skateboard von einem Lastwagen angefahren wird, ändert sich Thelmas Leben schlagartig.

Das Zentrum ihres Daseins ist von nun an das Zimmer 405 in der Neurologischen Abteilung eines Pariser Krankenhaus, wo ihr Sohn im künstlichen Koma vor sich hindämmert. Bis Thelma im Zimmer ihres Sohnes ein Tagebuch findet. Darin hatte Zwölfjährige vor seinem Unfall eine Liste erstellt, was er noch vor seinem 18. Geburtstag erledigen wollte: Einem unsympathischen Mitschüler verprügeln, sich bei einer Freundin für eine blöde Bemerkung entschuldigen – und ausgefallene Abenteuer erleben, wie das Schwimmen mit Buckelwalen, ein riesiges Graffiti an die Wand einer Kaserne sprühen, halluzinogene Pilze essen und seiner Mathelehrerin an die Brust fassen. Und so weiter …

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Bestseller-Verfilmung; „Das Zimmer der Wunder“

Schwimmen mit Buckelwalen

Thelma beschließt, alle Wünsche ihres Sohnes zu erfüllen. So kann sie ihm nahe sein. Und vielleicht – so ihre Hoffnung – wird er wieder aus seinem Koma erwachen, wenn sie die ganze Liste abgearbeitet hat. Und schon steht Thelma mit dem Skateboard ihres Sohnes unter dem Arm mitten im Zentrum von Tokio, denn – so hat es Louis sich vorgenommen – sie will das Brett von einem berühmten japanischen Manga-Zeichner signieren lassen. Kurz darauf steigt Thelma im Taucheranzug vor der Küste Portugals ins Wasser, um das Rendez-vous mit den Buckelwalen abzuhaken. Und dann ist da ja noch Louis’ Wunsch, endlich seinen Vater kennenzulernen. Der aber weiß gar nicht, dass er einen Sohn hat, und lebt mit seiner neuen Familie auf einer abgelegenen Insel, die nur per Hubschrauber zu erreichen ist. An dieser Stelle kippt der bis dahin realistische und auch sozialkritische Film in eine Art Märchen.

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Unterwegs mit dem Skateboard des Sohnes; Alexandra Lamy

Thelmas Reise zu den Sehnsuchtsorten ihres Sohnes wird zu einer Reise zu sich selbst. Das eigentliche Ziel, Louis aus seinem Koma zurückzuholen, rückt in den Hintergrund. Die sporadischen Besuche am Krankenbett wirken mehr und mehr wie ein Alibi für einen esoterischen Selbstfindungstrip. In Julien Sandrels Roman entwickelt Thelmas Reise ins eigene Ich einen Sog, dem man sich gerne hingibt. Aber obwohl es der französischen Schauspielerin Alexandra Lamy über weite Teile gelingt, die Fäden des Films zusammenzuhalten, wirkt die Kinoversion bisweilen wie eine verfilmte Postkartensammlung rund um den Globus.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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