
Schauspieler, die nicht fest engagiert sind, haben es in der Regel schwer. Auftrittsmöglichkeiten sind rar, Fair Pay bleibt ein Wunschtraum. Doch Not macht erfinderisch: Lennart Boyd Schürmann kam die Idee zu einem „On-Demand-Service für performative Dienstleistungen“. Als Kunde kann man, simpel gesagt, im „Katalog“ eine halbstündige Darbietung buchen – und diese für sich genießen.
Im Rahmen der Wiener Festwochen darf Schürmann das Konzept von „intimacies“ mit seinen Mitstreiterinnen erproben und zur Serienreife bringen. Auch wenn er sich die Grundidee vom Sex-Business abgeschaut hat, geht es im Funkhaus, derzeit das Festivalzentrum, hoch seriös zu: Man wird von Lara Liebhart, die das „Office“ leitet, empfangen, auf Rezeptionsvorlieben befragt und instruiert. Der Gag ist eben, dass es 1-1-Begegnungen gibt, die einen „intimen“ Charakter haben sollen, auch wenn es zu keinen Berührungen kommt.
Eine Szene machen
Neu ist das jedoch nicht. Die Gruppe Kollektief zum Beispiel realisierte 2017 im Bronski & Grünberg „one to one“ als immersives Stationentheater: Es gab zehn Performances, dargebracht von jeweils einer Person für nur ein Vis-a-vis. Und von 28. auf 29. Mai macht Pia Hierzegger bei den Festwochen 24 Stunden lang in „The Second Woman“ 100-mal die gleiche Szene, zehn Minuten lang – und jedes Mal steht ihr dabei ein neuer Partner gegenüber.
Der Rezensent meldete sich dennoch für „intimacies“ an. Aussuchen durfte er sich im gegenwärtigen Stadium nichts, ihm wurde eine Begegnung mit Luca Bonamore, einem Tänzer, der angeblich auch als „Pornamore“ bekannt sein soll, vereinbart. Diese fand im Keller statt – in einem mit Holzpaneelen ausgekleideten Gymnastikraum mit grünem Linoleum-Boden. Er wirkt eher spooky denn heimelig; dort finden bis 15. Juni alle Performances statt.
Bonamore verkörpert den Philosophen Roland Barthes, der in Englisch erklärt, warum er 1999 das Vorwort für das Buch „Tricks“ des homosexuellen Autors Renaud Camus schrieb. In der Folge gibt Bonamore tänzerisch einige Verführungs-„Tricks“ preis.
Doch wer ist überhaupt der Namensvetter von Albert Camus? Laut Wikipedia wird er wegen seiner Idee des „Großen Austauschs“ oder der „Umvolkung“ als einer der Vordenker des rechtsextremen Rassemblement National angesehen – und wurde 2014 wegen Anstachelung zu Hass und Gewalt verurteilt.
Der Rezensent fühlte sich in Nachhinein unangenehm berührt. Und er stellte – wieder einmal – fest: Theater ist ein Gemeinschaftserlebnis; jemandem allein zuzuschauen, macht keinen Spaß.
Source:: Kurier.at – Kultur