Rosemarie Castoro im MAK: Witz und Wortspiel im kahlen Raum

Kultur

Das MAK eröffnet einen neuen Schausaal mit der Künstlerin Rosemarie Castoro. Es ist deren erste Einzelausstellung in Europa und eine lohnende Entdeckung.

Darf jemand, der minimalistische Kunst produziert, auch Humor haben?

Die Strömung, die sich in New York ab den späten 1960er-Jahren als Antwort auf die quietschbunte Pop Art breitmachte, gilt gemeinhin als streng, verkopft – und gemacht für leere, kahle Räume. Der neue „Contemporary“-Schauraum des Wiener MAK ist dafür qualifiziert – mit freiliegenden Stahlträgern, grauem Steinboden und weißen Wänden.

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Ortslos

Eingerichtet wurde der Saal anstelle der früheren Teppichsammlung, damit das Publikum vom zentralen Atrium Zeitgenössisches sehen kann – eine gute Idee. Kritisieren ließe sich allenfalls, dass sich der Saal kaum von einer Galerie im New Yorker Chelsea (oder wo auch immer sonst die Großunternehmen des Kunstbetriebs ihr Zelt aufschlagen) unterscheidet – und, ja, auch die aktuelle Ausstellung wurde mit Hilfe des wichtigsten Österreichers in diesem Feld, Thaddaeus Ropac, bestückt.

Die Ausstellung selbst aber ist nachgerade heiter, poetisch, gesellig geworden. „Party of Nine“ etwa heißt das Werk mit neun großen, grauen Neunern, die auf der Rückwand wie hingepinselt erscheinen (tatsächlich sind es an die Wand gepinnte Objekte aus einem Gipsgemisch).

Die Zeichen verselbstständigen sich dort: Wenn man die „9“ als Figur mit Kopf deutet, scheinen sich zwei Gruppen zu bilden, eine davon wie in ein Gespräch vertieft, gerade ein Cocktailglas fehlt noch. Die Künstlerin Rosemarie Castoro (1939–2015) schuf das Werk 1972, in einem jener legendären Lofts in SOHO, in der sich damals – New York befand sich am Rande des Bankrotts – eine heute legendäre Bohème breitgemacht hatte. Sie hatte sich von der Malerei entfernt, auch ihren Konnex zur Avantgarde-Tanzszene ruhend gestellt: Was blieb, war eine graue Farbpalette und konzeptuelles Denken, erklärt MAK-Kustodin Bärbel Vischer.

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Unter Vischers Ägide erwarb das Museum zwei Werke für seine Sammlung (formell als Dauerleihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung): Es würde andere feministische Positionen der Sammlung wie jene von Birgit Jürgenssen (1949 – 2003) ergänzen, sagt die Kuratorin.

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Tatsächlich sind Castoros Objekte großartig darin, wie sie weiblich konnotierte Formen ins Aggressive verdrehen: „Land of Lashes“ etwa, eines der fürs MAK erworbenen Werke, besteht aus einer Reihe übergroßer Wimpern (engl. eye-lashes), die in der musealen Inszenierung wie Spinnen in einer Reihe marschieren.

Assoziationen

„Beaver Trap“ („Biberfalle“) besteht aus spitzen, im Quadrat angeordneten Holzstäben: Dass „Beaver“ auch das weibliche Geschlechtsorgan bezeichnet, macht das Werk zur Anspielung auf die „vagina dentata“ – laut Freud der Ort männlicher Kastrationsangst.

Kann also sein, dass die Männer – darunter der Ober-Minimalist Carl Andre, von 1964 bis 1972 Castoros Partner – mit ihrem Schmäh nicht ganz so gut konnten.

Anders als verwandte Künstlerinnen wie Eva Hesse war Castoro lange Zeit fast vergessen, sagt Vischer, erst in jüngster Zeit kam es zu Einzelausstellungen in Europa. Es ist eine lohnende Entdeckung – und sei es nur, um Vorurteile gegen verkopfte Kunst auszuräumen.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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