Mahrer: „Die Politik hat das Dilemma nicht erkannt“

Politik
CORONA: SOZIALPARTNER TREFFEN MIT REGIERUNG: MAHRER / KATZIAN

Wie kann Österreich seinen Wohlstand erhalten? Der WKO-Präsident fordert einen Schulterschluss zwischen Politik und Sozialpartnern. Sonst werde „der soziale Kitt“ brechen.

Für Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer werden die Debatten über Arbeitszeit hierzulande zu verkürzt geführt. Im KURIER-Interview spricht er über die Rot-Weiß-Rot-Karte, eine „ultraverlogene Debatte“, Fachkräftesuche im Ausland, die FPÖ und darüber, ob die WKO russlandfreundlich ist.

KURIER: Es gibt 200.000 offene Stellen, laut einer von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie fehlen aufgrund des demografischen Wandels zusätzlich 363.000 Fachkräfte bis 2040 und es entstehen Kosten von 150 Milliarden Euro. Was passiert, wenn sich nichts ändert?

Harald Mahrer: Minus 150 Milliarden Steuerleistung heißt zu niedrige Investments in die Sozialsysteme, keine ausreichenden Mittel für öffentliche Güter wie Sicherheit und Ordnung. Dann gibt es einen echten Drift zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, dann bricht der soziale Kitt. Diese Erkenntnis reicht mir, um höchst alarmiert zu sein. Zusätzlich stehen wir bei den Arbeitskräften auch noch im Wettbewerb mit unseren Nachbarländern. Auch die zerbrechen sich also den Kopf.

Was sagt Ihr Kopf?

Es steht außer Frage, dass es sich um kommunizierende Gefäße handelt. Dass mehr Teilzeit weniger Pension heißt und auch weniger Leistungen für das Sozialsystem und damit Schwierigkeiten, öffentliche Güter zu produzieren. Dass alle nur Teilzeit arbeiten wollen, aber das Krankenhaus 24 Stunden, 365 Tage im Jahr funktionieren soll: das wird sich so nicht ausgehen.

Mit Arbeitskräften aus dem Ausland und der Rot-weiß-rot-Karte, die 2022 nur 6.182 mal ausgestellt wurde, werden wir das Problem nicht beheben.

Das sind Einzelmaßnahmen, doch wir müssen als Land, als Gesamtheit erst mal wissen: Was ist der aktuelle Stand? Wo soll Österreich hin? Wie lässt sich ein Land der Chancen und Möglichkeiten finanzieren, der Wohlstand erhalten?

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Gibt es ein Land, dem das glückt?

In Singapur wird die Debatte geführt. Es geht aber nicht darum, andere Länder zu kopieren. Österreich hat die Voraussetzungen, zu den Top-Arbeits- und Lebensstandorten der Welt zu zählen. Unser solidarisches System dient der Allgemeinheit und der Attraktivität des Standorts. Durch mehr Teilzeitarbeit mit dadurch verbundener geringerer Wirtschaftsleistung in einem stärkeren Wettbewerb wird es aber nicht gehen.

In der Teilzeit-Debatte geht es um den Dienstleistungssektor und Arbeit, die keiner machen will.

Das sagen Sie! Durch die Homeoffice-Möglichkeiten in der Pandemie ist ein Drift in der Gesellschaft, aber keine Diskussion entstanden. Nicht jeder will eine Vier-Tage-Woche, geschweige denn kann jede Branche eine solche anbieten. Teilzeit ist eine Frage der Möglichkeiten und die hat leider nicht jedes Unternehmen.

Mehr Kinderbetreuungsplätze sind der einzige Schlüssel?

Die braucht es unbedingt, aber wir müssen das alles gesamthaft sehen. Es hilft nichts, zusätzliche Millionen an die Länder zu zahlen, wenn die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sagen: Ich habe zwar dann die Mittel, aber keine Kindergärtnerinnen. Das gleiche gilt für Ältere. Bieten wir derzeit eine Wahlfreiheit für Menschen, über die Regelpension hinaus zu arbeiten? Nein.

Warum gehen in Österreich Frauen wie Männer weit vor dem Regelpensionsalter in den Ruhestand?

Weil es nicht die richtigen Anreize gibt: In der Gruppe der Ab-55-Jährigen – und das haben wir uns in Studien genau angesehen – können sich Menschen sehr wohl vorstellen, länger zu arbeiten. Genau diese Perspektiven und Lebensmodellplanungen aufzuzeigen, darum geht es, wenn wir mit dem …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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