Marc Chagall in der Albertina: Am Ende überwiegt die Harmonie

Kultur

Es ist die letzte Großausstellung der Amtszeit von Klaus Albrecht Schröder: Eine versöhnliche Begegnung mit einem Modernen, der auch Nostalgiker war

Er ist der Lieblingsmaler vieler Menschen, ein Umsatzbringer des Kunstmarkts und ein unverzichtbarer Bestandteil von privaten Sammlungen von Horten bis Batliner, die ihre Basis in der „Klassischen Moderne“ haben.

Nicht zuletzt ist das Werk Marc Chagalls (1887–1985) eine Triebfeder jenes publikumsträchtigen, aber auch aufwendigen Ausstellungsbetriebs, den Klaus Albrecht Schröder in seiner 25-jährigen Wirkungszeit in der Albertina perfektioniert hat. Als deren „grandiosen Abschluss“ bezeichnet der Katalog die nun eröffnete, rund 100 Werke zählende Chagall-Werkschau, die nochmal alle Register zieht, aber auch einen dezidiert harmonischen Ton anschlägt: Während Vorstände anderer Kulturinstitutionen es vor ihrem Abgang auf Provokation anlegen, scheint Schröder mit dieser Ausstellung alle umarmen zu wollen.

Warum ausgerechnet der Maler aus dem Städtchen Witebsk (1887 noch russisches Zarenreich, heute Belarus) zu einer solchen Integrationsfigur der Moderne werden konnte, ist dabei in gewissem Maße verwunderlich. Ja, ein nostalgischer Ton durchweht die meisten seiner Bilder, die oft in Wimmelbild-Ästhetik arrangierten Tiere, Blumen, Liebespaare oder Geigenspieler vermitteln eine Ordnung und Übersichtlichkeit, die auf eine intuitive Weise sofort behaglich wirkt.

Man hätte Chagall damit aber auch als Illustrator abtun und sein Werk gleich neben der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ in eine der vielen Sackgassen der Kunstgeschichte parken können – wären die Bilder nicht auch Zeugnisse des zerrissenen 20. Jahrhunderts, das aus Chagall einen Entwurzelten machte.

TbaNahe an der Biografie

Die nah an Chagalls Biografie gebaute Retrospektive der Albertina macht zunächst deutlich, wie sich der Spross einer chassidisch-jüdischen Familie nach Anfängen in seiner Heimat und in St. Petersburg an die künstlerische Moderne annäherte. Die Verselbstständigung der Farbe, die Matisse und die Gruppe der „Fauves“ vorgezeigt hatten, findet ihr Echo in dem famosen „Roten Akt“ (1909), für den bereits Chagalls spätere Frau Bella Modell gesessen haben soll.

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Die aufgeklappten Bildräume und zersplitterten Figuren, mit denen Chagall Erinnerungen an seine Kindheit umsetzte („Das gelbe Zimmer“, 1911; „Der Soldat trinkt“, 1911/’12) verdeutlichen, dass der Künstler bei der Neuerfindung der Malerei neben Malewitsch, Kandinsky oder Delaunay in einer Reihe stand.

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Chagall sah sich dabei aber nie als Theoretiker, sondern betonte den Instinkt, wie Kuratorin Gisela Kirpicsenko erklärt.

Die drei ersten Säle sind jene Teile der Schau, in denen man der Entwicklung des Künstlers, seinem Streben nach einer eigenen Bildsprache und seinem Austausch mit der Avantgarde nahe tritt. Hier findet sich auch schon eine „Kreuzigung“ aus dem Jahr 1912 – das Motiv sollte Chagall in der Folge oft variieren, sah er es doch als Sinnbild für das Leiden des gesamten jüdischen Volkes an.

1911 ging Chagall mit einem Stipendium nach Paris, 1914 kehrte er in seine Heimat zurück – wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wurde aus einem Kurztrip ein mehrjähriger Aufenthalt. 1923 zurück in Paris, emigrierte er während des NS-treuen Vichy-Regimes erst nach Südfrankreich, dann nach New York; 1948 kehrte er nach Frankreich zurück.

TBAErinnerung als Anker

Die Erinnerung an das Schtetl der Kindheit war in den Bildern all dieser Jahre ein Anker. Doch auch für den Verlust des Bodens unter den Füßen fand Chagall eigene Codes, wie die Ausstellung …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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