Spanien: Wirft Premier Pedro Sánchez wirklich hin?

Politik

Was hinter der Auszeit des spanischen Premiers stecken könnte und welche Szenarien dem südeuropäischen Land jetzt drohen

Aus Barcelona, von Julia Macher

Eine große Geste gegenüber seiner Frau? Ein kluger Schachzug, um die Seinen hinter sich zu scharen? Oder doch nur Selbstmitleid eines Politikers, der versucht, aus seiner Opferrolle Kapital zu schlagen? 

Einen Tag nach der überraschenden Ankündigung des spanischen Premiers, wegen der Anschuldigungen gegen seine Frau die Geschäfte bis Montag ruhen zu lassen und eventuell gar zurückzutreten, grübelt Spanien über die Hintergründe. 

Er brauche Zeit zum Innehalten und wolle darüber nachdenken, ob es sich angesichts der Angriffe auf seine Familie noch lohne im Amt zu bleiben, schreibt der spanische Sozialist Pedro Sánchez in einem dreieinhalb Seiten langen Brief an die Bevölkerung. Die Privatorganisation „Manos Limpias“ („Saubere Hände“) wirft seiner Frau Begoña Gómez vor, ihre Rolle als Ehefrau des Premiers missbraucht zu haben, um mehreren Firmen Vorteile bei öffentlichen Ausschreibungen verfasst zu haben.

Die selbst ernannte „Gewerkschaft“ gilt als Agent Provocateur der spanischen Politik.  Ihr Generalsekretär Miguel Bernad hat sich mit Anzeigen gegen das Königshaus, Unternehmer und Politiker immer wieder in das Tagesgeschehen eingemischt und wurde wegen Erpressung selbst zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Anzeige gegen Gómez stützt sich ausschließlich auf Presseartikel zweier rechtskonservativer Online-Medien. Spanische Juristen bezeichnen sich als „wenig substanziell“. Die Justiz hat dennoch Vorermittlungen aufgenommen.  

Politische Schachzüge

Nun ist Pedro Sánchez kein Politiker, der sich von Schwierigkeiten einschüchtern lässt. Im Gegenteil: Der Sozialist gilt als Meister überraschender politischer Schachzüge. Mehrfach totgesagt, hat der studierte Wirtschaftswissenschaftler es zwei Mal an die Spitze seiner Partei geschafft und im vergangenen Herbst nach vorgezogenen Neuwahlen seine Linkskoalition erneuert. Gegen alle Prognosen, dank der Unterstützung fast aller regionalen Parteien, inklusive der katalanischen Separatisten.

  Wohl kein Geisel-Deal und Waffenruhe zwischen Israel und Hamas

Der Preis dafür, ein umstrittenes Amnestiegesetz, war hoch. Wochenlang wurde vor der Parteizentrale der Sozialisten demonstriert, „Verräter“ schäumten die konservativen und rechten Parteien. Doch letztlich hatte es Sánchez wieder mal geschafft, durchaus zur Freude seiner europäischen Bündnispartner. 

Warum also diese Rücktrittsdrohung, ausgerechnet jetzt?

Dass Sánchez sich einfach nur des Rückhalts seines Lagers versichern will, scheint wenig plausibel. Vier Tage Bedenkzeit hat der Premier sich gegeben, das ist eine lange Zeit. Zu lange, um danach einfach zu sagen „Danke für eure netten Worten. Ich mache weiter“. Zumindest die Vertrauensfrage müsste er dem Parlament stellen. Aber die einfache Mehrheit, die er dazu bräuchte, hat er bereits jetzt hinter sich. Andererseits: Auch wer zurücktreten will, tut das in der Regel sofort. 

Machtpolitiker Sanchez

Gut möglich also, dass der gewiefte Machtpolitiker diesmal tatsächlich tun will, was er sagt: Nachdenken. Seine Frau, seine Familie, schützen. Tatsächlich ist das politische Klima im Land so polarisiert, der Ton so rau, dass der Angriff auf sein privates Umfeld der berühmte Tropfen gewesen sein könnte, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gerade weil er über die Justiz erfolgt und ins Private zielt. Denn seit Jahren zerren sich Spaniens Politiker wechselseitig vors Gericht.

 Von „Lawfare“, also dem Missbrauch des Rechtssystems gegen politische Gegner, sprechen die katalanischen Parteien. Auch die linkspopulistische Podemos-Partei sah sich mehreren Klagen ausgesetzt, die im Nichts …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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