Teilchenbeschleuniger des Jazz: Gitarrist Julian Lage mit Trio in Wien

Kultur

Der US-Virtuose, der in einem Stück mehr Ideen verarbeitet als andere Musiker in mehreren Jahren, wurde im Konzerthaus bejubelt.

In der Welt der Jazzgitarre steht Julian Lage, 36, wohl gerade am Gipfel des höchsten Bergs. Der Musiker, der seinen Karrierestart als Wunderkind mit acht Jahren erfuhr, hat ihn in Windeseile erklommen, die Zahl der Projekte, in die er involviert ist, ist ebenso unüberblickbar wie die Zahl der honorigen Musiker, mit denen der in Kalifornien aufgewachsene und nahe New York lebende Musiker kollaboriert.

Am Dienstagabend war Lages Musik im Mozartsaal  in seiner vermutlich direktesten Form zu erleben – mit dem eingespielten Trio mit Jorge Roeder am Bass und Dave King am Schlagzeug. Die Energie, die die Musiker dabei in knackigen 90 Minuten kanalisierten, riss das Publikum am Ende zu Begeisterungsstürmen hin – eine zweite Zugabe gab es dennoch nicht.

Das Außergewöhnliche an Lages Spiel ist der Umstand, dass er nicht erst aus seiner Gipfelposition heraus die Ideen, Traditionen und Klangbilder aus Jazz und Blues, aber auch aus anderen Musiktraditionen in einer herausragenden Weise überblickt – und ebenso einzigartig auf seinem Instrument ausdrücken und synthetisieren kann.

Entlang der Melodien, die Lages Stücke anleiten, passieren immer noch parallel mehrere Dinge –  wie etwa im Opener des Konzerts, dem superlangsamen „Serenade“ vom aktuellen Album „Speak to Me“, gut zu hören war: Lage skulpiert auf seiner elektrischen Telecaster-Gitarre einen Vorder- und Hintergrund heraus, lässt am Instrument Motive nach dem Call-and-Response-Schema in Austausch treten, sendet aber zugleich auch Signale zu seinen Mitmusikern aus, die diese nahtlos weiterspinnen. 

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Blues in völlig neuen Bahnen

Der Blues – als Form, Feeling und Tonmaterial – ist in dieser Interaktion immer irgendwo vorhanden, was das Trio nicht davon abhält, heftige Stilbrüche einzubauen. Lage galoppiert dabei manchmal zu jenen extrem schnellen Läufen aus, die weniger wohlwollend als „Gefudel“ tituliert werden könnten – wäre da nicht die dynamische Leine, die die Verspieltheit im Zaum hält und letztlich die gemeinsame Energie über alles stellt. 

So ist es bei aller Virtuosität des Gitarristen letztlich die Gruppen-Performance, die überzeugt: Das auf der Originalaufnahme etwas verhuschte „Missing Voices“ wird im Konzerthaus zum grandiosen Latin-Groove-Monster, „Two and One“ bringt bei Swing-Feeling solistische Höhenflüge hervor, das rockige „Northern Shuffle“ atomisiert die Bestandteile des Rock’n’Roll. Und Jazzfreaks haben so einiges zu Kiefeln. 

Kommende Woche sind Lage und Bassist Roeder gleich noch einmal in Wien zu Gast – als Teil des „New Masada Quartets“ von John Zorn spielen sie am 30. 4. im Porgy & Bess zwei – bereits ausverkaufte – Konzerte. 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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