Pogrome gegen Syrer in der Türkei: Was steckt dahinter?

Politik
Menschen tragen den Sarg von Abu Malik, der bei Unruhen während der Proteste gegen die Türkei getötet wurde, Aleppo, Syrien, 02. Juli 2024.

Warum die Stimmung in der Region jetzt eskaliert und was die jüngste Annäherung von Erdoğan und Assad damit zu tun hat.

Das kleine Geschäft ist vollkommen zerstört, der weiße Container nebenan steht in Flammen. Obst und Gemüse liegen zerschlagen auf der Straße, Männer trampeln auf Wassermelonen herum, pfeifen laut, und halten eine Türkei-Fahne in die Höhe. Im Hintergrund sind blaue Polizei-Lichter zu sehen; einschreiten will aber niemand.

Videos wie diese häuften sich in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien, Angriffe auf syrische Flüchtlinge in der Türkei eskalierten. In etlichen Großstädten gingen wütende, nationalistische Mobs auf die Straße, Hunderte Menschen wurden festgenommen.

Gleichzeitig kam es zu Gegenangriffen von Syrern auf türkische Soldaten in den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien. Türkische Fahnen und Bilder von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurden angezündet, militärische Fahrzeuge mit Steinen beworfen. Die Rede ist von mindestens sieben Todesopfern.

Was passiert gerade in der Region? Warum eskaliert die Stimmung jetzt und inwiefern spielt da die jüngste Annäherung des türkischen Präsidenten Erdoğan an den syrischen Machthaber Bashar al-Assad eine Rolle?

Auslöser für die Ausschreitungen gegen syrische Flüchtlinge, heißt es, war die Meldung, dass ein syrischer Flüchtling in der zentralanatolischen Stadt Kayseri seine siebenjährige Cousine sexuell missbraucht haben soll. Es dauerte nicht lange, bis in Kayseri die Läden syrischer Flüchtlinge in Flammen aufgingen. Erdoğan verurteilte die Angriffe scharf, trug zur Beruhigung des Mobs aber kaum bei: „Es lässt sich nichts erreichen, wenn man Fremdenfeindlichkeit und Hass auf Flüchtlinge in der Gesellschaft schürt.“

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Die mutmaßliche Vergewaltigung des Mädchens hat eine Wut, die sich in Teile der türkischen Bevölkerung aufgestaut hat, an die Oberfläche geholt.

Sündenböcke für strauchelnde Wirtschaft

Kein Land der Welt hat mehr Geflüchtete aufgenommen als die Türkei: 3,6 Millionen Syrer sind seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 in der Türkei untergekommen – auch gegen Zahlungen aus Brüssel, damit die Geflüchteten nicht in die Europäische Union gelassen wurden. Die AKP-Regierung fuhr zuerst eine Willkommenspolitik, die Syrer wurden als Teil der Bevölkerung gesehen. Statt in Flüchtlingslagern kamen sie in Städten der Grenzregion unter, heute sind dort teilweise bis zu 60 Prozent der Bewohner syrischer Herkunft.

EPA/BILAL AL HAMMOUD

Menschen tragen den Sarg von Abu Malik, der bei Unruhen während der Proteste gegen die Türkei getötet wurde, Aleppo, Syrien, 02. Juli 2024.

Doch in den vergangenen Jahren wuchs die Stimmung gegen Flüchtling; verbale und körperliche Angriffe, die Misshandlung und Diskriminierung von syrischen Kindern und Frauen sind keine Seltenheit mehr. Bei den vergangenen Wahlen wurden die Syrer als Sündenböcke für die dramatische wirtschaftliche Situation in der Türkei und gesellschaftliche Probleme gesehen – sowohl von der einst gastfreundlichen Regierung als auch von der liberalen bis nationalistischen Opposition. 

Bei den jüngsten Ausschreitungen gegen die Flüchtlinge wurden zum Teil regierungskritische Parolen gerufen; Erdoğan wird vorgeworfen, die Millionen Flüchtlinge ins Land gelassen zu haben. Der wiederum behauptete, die Opposition habe die Ausschreitungen provoziert.

Annäherung zwischen Erdoğan und Assads

Die Gegenangriffe der syrischen Flüchtlinge im von der Türkei kontrollierten Nordsyrien sind nur bedingt eine Reaktion auf die Eskalation innerhalb der Türkei. Wohl sind auch die jüngsten Annäherungen zwischen Erdoğan …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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