Briten bereit für Labour-Wende: „Bringt sie her, die Langeweile!“

Politik

In Keir Starmers Wahlkreis in Nordlondon waren sich die Briten eines Labour-Siegs gewiss. Die erste Hochrechnung der Parlamentswahl wird für 22 Uhr erwartet.

Und in Keir Starmers Wahllokal in Kentish Town stehen sogar noch am Nachmittag die Wähler Schlange. 

Der Brite Tolu Roberts tritt soeben heraus und folgt dem schmalen Hofpfad Richtung Ausgang. Beim großen „Polling Station“-Schild bleibt er aber noch einmal stehen. „Komm!“ Er deutet seiner Frau. „Machen wir noch ein Selfie.“ Er grinst in die Kamera. „Das muss festgehalten werden. Unsere erste Wahl in England. Und dann mit diesen Aussichten.“

APA/AFP/PAUL ELLIS„Oh, er kommt!“ 

Kurz vor zehn Uhr geht am Donnerstag in einer normalerweise ruhigen Wohnhausanlage in Kentish Town, Nordlondon, ein Raunen durch die Menge.  Aufgeregt zücken sie die Handys: Die Frau, die im grauen Kurzarmshirt am Zaun lehnte. Der Mann mit dem blauen Pullover, der hinter dem Polizisten steht. Die  Dame auf dem Balkon im ersten Stock. Selbst der Security in der neongelben Warnweste. Niemand möchte es verpassen. 

Und dann spaziert er mit roter Krawatte und leicht angespanntem Lächeln durch das Spalier an Unterstützern: der vermutlich neue englische Premierminister, Labour-Chef Sir Keir Starmer.

„Good luck!“, rufen sie noch, die Frau im Kurzarmshirt, der Mann im Pullover und die Dame vom Balkon, bevor der Parteichef im Erdgeschoßlokal verschwindet. 

Sechs intensive Wochen 

Es gab seit dem Weckerläuten kein anderes Gesprächsthema. Man wurde vom Radiomoderator erinnert und von der Facebook-App; man überhörte Gesprächsfetzen im morgendlichen Pendlerzug und beim Kaffeeholen im kleinen Takeawayladen. Nach sechs Wochen des intensiven Wahlkampfs war es soweit: Wahltag. 

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„Oh, ich bin unglaublich aufgeregt!“, sagt Christopher Carse, der am Vormittag in Nordlondon mit seinem Hund im Park spazieren ist.

Anna-Maria Bauer

„Es ist Zeit für Veränderung. Die konservative Regierung hat sich erschöpft. Sie haben einen kollektiven Nervenzusammenburch erlitten.“ Carse schmunzelt. Könnte noch irgendjemand, der für diese Partei wählt, wirklich glauben, dass sie eine lebensfähige Regierung zusammenbringen könnte? Egal, meint er dann. Labour würde es diesmal machen. Macht doch nichts, dass ihre Ansagen etwas langweilig waren. „Bring on Boring!“, ruft er und lacht. „Bringt sie ruhig her, die Langeweile!“

Rechtsgerichtete Zeitungen für Labour

Wie dürftig die Unterstützung für die Konservativen am Wahltag nicht nur von Christopher Carse, sondern dem ganzen Land war, zeigte ein Blick auf die Tageszeitungen: „Zeit für einen neuen Manager“ posaunte die Sun in riesigen Lettern vom Titelblatt, die in den vergangenen 19 Jahren nie diese Partei unterstützt hatte. Und auch die rechtskonservative Times musste sich eingestehen, dass „Labour vor der größten Mehrheit seit 1832“ steht. 

Anna-Maria Bauer

Doch dazu, war Keir Starmer in den letzten Tagen nicht müde gewesen zu erzählen, müssten auch jene, die für Labour sind, auch für Labour abstimmen. Keinesfalls dürfte man sich darauf verlassen, dass die Wahl schon entschieden ist.

Wahlkreis unter Kontrolle

„Entschuldigung“, sagte also die Dame in blauer Bluse und roter Blume am Revers zu jedem, der in der Marchmont Street ins Wahllokal treten möchte. „Darf ich Ihre Wahlnummer wissen und ob Sie für Labour wählen?“ Sie will sicherstellen, dass jene Briten, die im Wahlkampf ihre Unterstützung für Labour angekündigt hatten, auch tatsächlich …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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