
Vier Monate nachdem er das Kriegsrecht ausgerufen hatte, ist Präsident Yoon gestürzt worden. Während das Land einen Nachfolger wählt, droht ihm lebenslange Haft.
Der gordische Knoten, der Südkoreas Demokratie seit vier Monaten gefesselt hielt, beginnt sich zu lösen. Wochenlang hatte das politisch tief gespaltene Land auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts hingefiebert. Für viele ging es dabei um die Frage, ob in Südkorea das Recht der Politik folgt – oder umgekehrt.
Am Freitag dann die klare Antwort: Alle acht Höchstrichter stimmten dafür, Präsident Yoon Suk-yeol des Amtes zu entheben. Mit seinem versuchten Staatsstreich Anfang Dezember habe er versucht, „die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen“, so das Urteil. Damit stimmten zwei der Richter für das Ende des Präsidenten, der sie einst ernannt hatte.
Warum Yoon den Putschversuch wagte
Die Fakten lagen längst auf dem Tisch: Yoon, schon vor dem Putschversuch dank seiner erzkonservativen Haltung einer der unbeliebtesten Präsidenten jemals, hatte die Parlamentswahlen im Sommer 2024 krachend verloren.
Das Oppositionsbündnis stellte fortan 169 der 300 Abgeordneten im Parlament – und blockierte nicht nur jeden Budgetvorschlag der Regierung, sondern trat auch einen Untersuchungsausschuss los, der sich mit Korruptionsvorwürfen gegen Yoons Frau beschäftigen sollte.
In seinem Hass schmiedete der Präsident einen verzweifelten Plan. Er rief am Abend des 3. Dezember das Kriegsrecht aus und befahl Militär wie Geheimdiensten, fast alle Oppositionspolitiker, mutmaßlich feindselige Staatsanwälte und sogar den Vorsitzenden seiner eigenen Partei zu verhaften.
Der Plan scheiterte bekanntlich, auch weil tausende Koreaner sofort auf den Straßen protestierten und ihren Abgeordneten somit ermöglichten, das Kriegsrecht wieder aufzuheben.
Doch die Aufarbeitung gestaltete sich zäh, entwickelte sich zu einem Machtkampf zwischen dem konservativen Lager des Präsidenten – der Exekutive – und der links-liberalen Opposition, die mit ihrer parlamentarischen Mehrheit die Legislative kontrolliert.
All das vertiefte die Gräben zwischen beiden Seiten und ihren Anhängern. Fast täglich kam es auf den Straßen der Hauptstadt Seoul zu Protesten von Gegnern oder Anhängern Yoons. Auch am vergangenen Freitag, als die eine Seite in Jubelstürme und die andere in Tränen ausbrach.
Am 3. Juni wählt Südkorea einen neuen Präsidenten
Am 3. Juni muss das Land nun einen neuen Präsidenten wählen. Als größter Profiteur der Krise und damit wahrscheinlichster Nachfolger gilt Oppositionsführer Lee Jae-myung, Chef der Demokratischen Partei (DPK).
Der 61-Jährige war Yoon schon 2022 um weniger als einen Prozentpunkt unterlegen und nutzte seit dem ersten Tag der Proteste jede Möglichkeit, sich als Widerstandskämpfer gegen einen abtrünnigen Präsidenten zu inszenieren.
EPA/JEON HEON-KYUN
Oppositionsführer Lee Jae-myung (mitte) inszenierte sich stets an der Spitze der Proteste. Schon bei der Präsidentenwahl 2022 verlor er nur haarscharf gegen Yoon, nun gilt er als glasklarer Favorit für die Wahl am 3. Juni.
Umfragen bescheinigen Lee, der unter anderem für eine sanfte Zuwendung zu China und Nordkorea eintritt, einen deutlichen Wahlsieg. Doch auch ihn umranken Korruptionsvorwürfe – zudem steht noch nicht fest, wer die Partei des gestürzten Präsidenten übernimmt. Es dürfte ein schmutziger Wahlkampf werden.
Yoon droht lebenslange Haft – und sogar die Todesstrafe
Für Yoon hat die juristische Aufarbeitung seiner Taten indes gerade erst begonnen. Bei dem Amtsenthebungsverfahren handelte es sich um einen politischen Prozess, ab nächster Woche muss sich Yoon dann in einem Strafverfahren wegen Hochverrats verantworten. …read more
Source:: Kurier.at – Politik